Muss sich in Österreich und Zentraleuropa an eine andere Form des Umgangs gewöhnen: BASF-Regionalchef Joachim Meyer.

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Der neue Zentraleuropachef des Chemiekonzerns BASF, Joachim Meyer, vermisst die direkte Art im beruflichen wie privaten Umgang, die er aus seiner Heimat Deutschland gewohnt ist. Warum er die Chemie nicht als alte Industrie sieht, sagte er Günther Strobl.

STANDARD: Sie waren für BASF zwei Jahre in Korea. Hat Ihnen das für Ihre Managementtätigkeit in Österreich etwas gebracht?

Meyer: Jede Auslandserfahrung ist gut und gibt entsprechende Einblicke, besonders dann, wenn man auch dort lebt, wo man arbeitet. Wobei die Parallelen zwischen Seoul und Wien, zwischen Korea und Österreich sehr klein sind.

STANDARD: Und kulturell? Österreich und die Länder Zentraleuropas, für die Sie jetzt verantwortlich sind, gelten als eher verschlossen, was die direkte Ansprache betrifft.

Meyer: Das ist in der Tat anders als in Korea. Dort gibt es ein System, das einer militärischen Struktur ähnelt: an der Spitze ein General, darunter eine Pyramide von Menschen und Funktionen. Für einen westlich geprägten Menschen ist diese Gesellschaftsstruktur einfach zu verstehen. Korea ist sehr direkt, das geht mit der deutschen Mentalität gut zusammen. In Zentraleuropa muss man sich an eine andere Art des Umgangs gewöhnen, auch in Österreich.

STANDARD: Weil ja nicht unbedingt ja heißt und nein nicht nein?

Meyer: Das ist auch in einigen Kulturen Asiens so. Ein Vertrag, der auf dem Tisch liegt, wird unterschiedlich interpretiert, da gibt es sehr wohl Parallelen zu Südosteuropa. Auch dort kommt es mehr auf die Verlässlichkeit in der persönlichen Beziehung an als auf das Wort auf einem Stück Papier.

STANDARD: In Deutschland geht es meist rasch und direkt zur Sache. Was liegt Ihnen mehr?

Meyer: Genau das (lacht). Das Diplomatische, das vorsichtige Agieren ist nicht unbedingt meins ...

STANDARD: ... ist aber in Österreich sehr ausgeprägt.

Meyer: Das merke ich auf Schritt und Tritt. Selbst in Kreisen, wo nicht direkt entschieden wird, wo man gemeinsam Thesenpapiere diskutiert, hat man es mit einer anderen Art des Arbeitens zu tun als in Deutschland.

STANDARD: Als BASF die Business-Unit Europe Central in Bratislava etablieren wollte, gab es einen Aufschrei der hiesigen Politik.

Meyer: Die Entscheidung war von besonderer Tragweite. BASF hatte ursprünglich über 230 Mitarbeiter am Sitz in der Hietzinger Hauptstraße in Wien, dann nur mehr fünf in einer Niederlassung in der Kolingasse. Dass das einer Hauptstadt, die sich als Tor in den Osten sieht, nicht zu Gesicht steht, ist verständlich. Auch bestand die Gefahr, dass Konzerne ihre Headquarters aus Kostengründen nach Zentraleuropa verlegen. Deshalb hat die Stadt Wien gegengesteuert. Inzwischen hat BASF, nicht zuletzt aufgrund einiger Zukäufe, wieder knapp 300 Mitarbeiter in Österreich.

STANDARD: Vermag Österreich auch im Steuerwettbewerb mitzuhalten?

Meyer: Wenn wir darauf aus wären, die geringsten Steuern zu zahlen, müssten wir ganz woanders hin. Wir sind in Deutschland, aber auch in Österreich mit vielen Niederlassungen vertreten – trotz relativ hoher Steuerlast. Unsere Firmenphilosophie ist, dort, wo wir produzieren und Geschäfte machen, einen Beitrag zu leisten.

STANDARD: Energiesparen ist in aller Munde. Merken Sie das auch im Vertrieb ihrer Produkte?

Meyer: Ich würde lügen, wenn ich Nein sagte. Wir betreiben gezielt Forschung, arbeiten z. B. an nanoporösen Schäumen, um Isoliermaterial dünner und für Anwendungen im Innenraum zu machen.

STANDARD: Ist eine alte Branche wie die Chemieindustrie schon im Morgen angekommen?

Meyer: 2015 feiert BASF 150. Geburtstag. Trotzdem würde ich BASF nicht als alte Firma bezeichnen. Wir handeln nachhaltig und zukunftsorientiert.

STANDARD: Aber mit der IT-Branche können Sie sich wohl schwer messen, die den Touch des Neuen hat.

Meyer: Nehmen Sie das Beispiel Elektromobilität. Wenn man noch mit einer Bleibatterie nach klassischer alter Chemie durch die Gegend fahren müsste, würde man nicht weit kommen. Da hat es einen Paradigmenwechsel gegeben – weg von der Blei-, hin zur viel leichteren und effizienteren Lithiumbatterie. Das sind Ansätze, da kann nur die Chemie helfen.

STANDARD: Und die Ökologie...?

Meyer: ...hat dazu beigetragen, dass wir neue Produkte entwickelt haben. Wir erfinden uns ständig neu. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.6.2011)