Im Rahmen der Studie analysierten die Forscher Lithiumwerte von 6.460 Trinkwasserproben aus Österreich.

Grafik: MedUni Wien

Bild nicht mehr verfügbar.

Es ist noch vollkommen unklar, wie natürliches Lithium im Trinkwasser eine solch starke physiologische Wirkung entfaltet.

Foto: APA/Oliver Berg

Wien - Natürlich enthaltenes Lithium im Trinkwasser kann die Suizidrate senken. Dies ergab eine aktuell veröffentlichte Studie der MedUni Wien. Den Forschern gelang damit erstmals der wissenschaftlich zuverlässige Nachweis dieser positiven Wirkung auf die menschliche Psyche. Die Studie erschien im British Journal of Psychiatry.

Im Rahmen der Untersuchung verglichen die Forscher Lithiumwerte von 6.460 Trinkwasserproben aus ganz Österreich mit den Suizidraten der jeweiligen Bezirke. Dabei fand sich ein signifikanter Zusammenhang: Je höher der Lithiumwert im Trinkwasser, desto niedriger ist die Suizidrate. Diese Korrelation bleibt auch dann signifikant, wenn sozioökonomische Faktoren wie Einkommen oder psychosoziale Versorgung - die die Suizidrate bekanntermaßen beeinflussen - berücksichtigt werden. Das Ergebnis der Wissenschafter: Lithium im Trinkwasser scheint neben anderen Ursachen ein möglicher eigenständiger Einflussfaktor zu sein.

Geringe Dosis

Im Kern konnte die Studie damit die Ergebnisse einer japanischen Untersuchung bestätigen, die dies bereits im Jahr 2009 aufgezeigt hatte, wegen methodischer Mängel aber in Zweifel gezogen wurde. "Das Faszinierende und Neue an unseren Ergebnissen ist aber, dass Lithium bereits in natürlichen Mengen als Spurenelement messbare Effekte auf die Gesundheit haben könnte," sagte der Forschungsleiter Nestor Kapusta von der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie.

Die Dosierung in der Therapie sei rund 100 Mal höher als das natürliche Vorkommen im Trinkwasser. "Es ist somit noch vollkommen unklar, wie natürliches Lithium im Trinkwasser eine solch starke physiologische Wirkung entfaltet, obwohl es sozusagen 100-fach schwächer dosiert ist", so Kapusta. Die Wirkungsweise dieses Mechanismus müsse in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

In der Medizin seit Jahrzehnten etabliert

Lithium ist im therapeutischen Einsatz bei bestimmten psychischen Erkrankungen seit rund 60 Jahren gut untersucht. Es eignet sich als stimmungsstabilisierendes Medikament (Mood-Stabilizer) bei bipolaren Erkrankungen (manisch-depressive Erkrankungen), da es den Krankheitsschüben so die Spitzen nimmt. Ebenso bekannt ist seine positive Wirkung bei Depressionen, wo es auch zur Suizidprävention eingesetzt wird. Neuerdings werden protektive Wirkungen gegen die Alzheimer-Erkrankung und andere neurodegenerative und entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose erforscht.

Kein Allheilmittel

Vor einer künstlichen Beimengung warnen die Forscher. Denn höhere Lithiumwerte könnten sich zwar positiv auf die Stimmung auswirken, aber gleichzeitig andere Nebenwirkungen haben. Die Forscher der MedUni Wien betonen, dass Lithium kein Allheilmittel sein könne. Für eine effektive Suizidprävention gelte es nach wie vor ein Bündel von Maßnahmen einzusetzen, so der Studienleiter. Angefangen bei der Verbesserung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung, über die Aufklärung der Bevölkerung, bis hin zur Restriktion von Suizidmitteln wie zum Beispiel durch gezielte Schusswaffengesetze oder Verkleinerung von Packungsgrößen bestimmter Medikamente. (red/APA)