Über die Ostöffnung diskutierten (v. li.) Walter Bornett (KMU-Forschung), Bernhard Hainz (Anwalt), Moderator Günther Oswald (Standard), Walter Ruck (WKO) und Josef Muchitsch (Gewerkschaft).

Foto: STANDARD/Hendrich

Wien - Seit dem ersten Mai ist der österreichische Arbeitsmarkt für Bürger aus acht osteuropäischen EU-Staaten geöffnet. So kann sich nun zum Beispiel ein ungarischer Arbeitssuchender ohne Arbeits- oder Aufenthaltsgenehmigung frei am Arbeitsmarkt bewerben, aber auch ein slowakisches Unternehmen mit seinen eigenen Angestellten in Österreich arbeiten.

Welche Auswirkungen ergeben sich dadurch für Österreichs Wirtschaft und Arbeitnehmer? "Die befürchteten Kolonnen osteuropäischer Arbeitssuchender, die nach Österreich drängen, sind ausgeblieben", sagte Walter Ruck, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien, im Rahmen der gemeinsam mit dem Standard veranstalteten Standpunkte-Debatte am Dienstagabend.

Josef Muchitsch von der Gewerkschaft Bau-Holz sieht das ähnlich. Ein großes Problem sei aber, dass ausländische Unternehmen vermehrt als Subunternehmer auftreten und ihre Mitarbeiter zu Bedingungen arbeiten ließen, mit denen Österreichs Firmen preislich nicht mithalten könnten. "Die Angebote von osteuropäischen Baufirmen sind teilweise unmoralisch billig. Hier findet Lohn- und Sozialdumping statt", so Muchitsch.

Ein Problem, das eigentlich durch das neue Anti-Lohndumping-Gesetz verhindert werden sollte. Demnach muss, wer den Grundlohn mehr als geringfügig unterschreitet, nun nicht nur wie bisher die Lohndifferenz nachzahlen - es drohen, je nach betroffener Arbeitnehmerzahl und abhängig von etwaigen früheren Anzeigen, auch Verwaltungsstrafen zwischen 1000 und 50.000 Euro. Das neue Gesetz sei ein guter Start gewesen, aber auch damit ließe sich nicht alles und jeder kontrollieren, meint der Gewerkschafter.

Auch der Arbeitsrechtler Bernhard Hainz ist mit dem neuen Gesetz nicht zufrieden: "Hier hat man sich für den falschen Weg entschieden." Weder die Höhe der Strafen noch die Effizienz der Kontrollen würden ein Funktionieren garantieren. Eine gut organisierte Haftung des Auftraggebers wäre der bessere Weg gewesen, so Hainz.

Weniger Arbeitslose

Ruck freut sich grundsätzlich über die Öffnung, es sei damit aber zu lange gewartet worden. Die besten Fachkräfte seien längst dorthin gegangen, wo die Grenzen schon früher geöffnet wurden. Wie es um den beklagten Fachkräftemangel genau steht, weiß Walter Bornett von der KMU Forschung Austria. In der Sparte Gewerbe und Handwerk, dem größten Arbeitgeber Österreichs, fehlen laut Bornett 13.000 Fachkräfte. Rund ein Viertel der Unternehmen dieser Branche hätten angegeben, auf der Suche nach Fachkräften zu sein. Bei den Dachdeckern und Spenglern sei es sogar die Hälfte der Unternehmen.

Dass der befürchtete Ansturm von Arbeitskräften aus Osteuropa ausblieb, zeigen auch die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Im Mai gab es erstmals mehr als 3,4 Millionen Beschäftigte in Österreich. Die Zahl der Jobsuchenden ist um 5,9 Prozent auf 287.149 gesunken. Davon waren 221. 369 Menschen als arbeitslos registriert, 65.780 (minus 15,9 Prozent) befanden sich in Schulung. (Laura Petschnig, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.6.2011)