Grasschneiderameisen tragen Stücke von Grashalmen zu ihrem Nest - dabei erhöht sich die Transportmenge im Laufe des Tages beträchtlich.

Foto: Flavio Roces

Würzburg - Blattschneiderameisen, von denen es ganz verschiedene Arten gibt, haben eine ganz besondere Ernährungsweise entwickelt: Mit ihren kräftigen Kiefern schneiden sie von Pflanzen Blattstücke ab und tragen sie in spezielle Zuchtkammern in ihrem Nest. Doch werden die Pflanzenteile nicht gefressen, sondern dienen als Nährboden für einen Pilz, den die Ameisen sehr sorgsam kultivieren - denn von diesem Pilz ernährt sich ihre gesamte Kolonie.

Flavio Roces vom Biozentrum der Universität Würzburg beobachtete bei Freilandstudien in Uruguay, wie wohlorganisiert und flexibel die Tiere beim Sammeln von Pflanzenblättern vorgehen, und berichtet darüber mit seinem Kollegen Martin Bollazzi in der Fachzeitschrift "PLoS ONE". Untersucht wurden 15 Kolonien der Spezies Acromyrmex heyeri, die auf das Abschneiden von Grashalmen spezialisiert ist und daher auch als "Grasschneiderameise" bezeichnet wird.

Der Tagesablauf einer Blattschneiderameise

Die Grasernte beginnt am frühen Morgen; dann verlassen zahlreiche Sammlerinnen das Nest. Finden sie einen ertragreichen Ernteplatz, holen sie weitere Helferinnen dazu: Die Tiere laufen zum Nest zurück, legen dabei eine chemische Duftspur und informieren schon auf dem Heimweg andere Ameisen über den Fund. Das geschieht mittels Kopf-zu-Kopf-Kontakt und durch Berührungen mit den Antennen.

Auffällig ist dabei, dass zu Beginn der täglichen Sammelarbeit rund 70 Prozent der Ameisen ohne Grasstücke vom Ernteplatz zum Nest zurückkehren. Und die wenigen Ameisen, die doch Material mit sich tragen, bringen verhältnismäßig kleine und leichte Stücke nach Hause. Doch das ändert sich im Lauf des Vormittags, und schon bald tragen immer mehr Ameisen immer größere Grasstücke ins Nest.

Diese Beobachtung interpretieren die Biologen so: "Am Anfang der Sammeltätigkeit ist es wichtig, schnell viele Erntehelfer zu rekrutieren - denn es besteht die Gefahr, dass andere Ameisenkolonien den Ernteplatz für sich beanspruchen", sagt Professor Roces. Ein Großteil der Ameisen verzichtet darum komplett auf den Blatttransport und kümmert sich nur um die Rekrutierung. Die Tiere, die Blattmaterial tragen, wählen kleinere und damit leichtere Stücke. Außerdem laufen sie zum Beginn der Ernte viel schneller als später, wodurch sie die Rekrutierung weiter beschleunigen.

Ist der Ernteplatz mit einer ausreichenden Zahl von Ameisen gesichert, widmen sich die Tiere verstärkt der Ernte und lassen mit der Rekrutierung der Anderen nach. Nur noch 20 Prozent der Arbeiterinnen, die das Nest verlassen, nehmen dann Kontakt mit den Heimkehrern auf, während das in der Anfangsphase des Sammelns auf etwa 70 Prozent zutrifft.

Informationstransfer

"Damit haben wir einen weiteren Hinweis gefunden, der die Informationstransfer-Hypothese stützt", sagt Flavio Roces. Diese Hypothese besagt: Wenn soziale Insekten eine reichhaltige Nahrungsquelle entdecken, tragen zuerst nicht alle Sammler die maximal mögliche Menge zurück ins Nest. Stattdessen kehrt ein Teil von ihnen unbeladen und schneller zurück, um den Anderen die Information über die Quelle zu überbringen. Das mindert zwar die Ernteleistung des Einzelnen, macht aber die Kolonie im Ganzen auf Dauer deutlich leistungsfähiger. (red)