Sumi Helal will trotz des geballten Einsatzes von Technik nicht auf den Menschen vergessen.

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Wie das geht, erklärte er Alois Pumhösel.

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STANDARD: Wie sieht Ihre Vision von einem Smart Home aus?

Helal: Ein Smart Home ist eine Umgebung, die Menschen unterstützen soll - mit einer ganzen Reihe von Hilfestellungen für ältere Menschen, die alleine leben und sich um ihr Wohlbefinden sorgen, die hinfallen können, vielleicht dement sind. Oder für junge Familien, die sich Sorgen machen, ob die Kinder Drogen nehmen. Oder Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes.

STANDARD: Wie kann man das unter einen Hut bringen?

Helal: Man sollte eine Technologie schaffen, die Voraussetzung für eine ganze Reihe von zweckmäßigen Anwendungen ist. Wir wollen uns als Forscher nicht anmaßen, ganz genau zu wissen, was der Anwender will. Was wir machen wollen, ist eine Plattform zu schaffen, die einer ganzen Industrie künftig erlauben soll, eigene Dienste anzubieten. Wir wollen etwas erreichen, das dem ähnlich ist, was Apple mit dem iPhone geschafft hat. Wir wollen ein Smart House als Plattform gestalten, die alle möglichen Dienste von Drittanbietern zulässt.

STANDARD: An welche Anwendungsmöglichkeiten denken Sie?

Helal: Mobiltelefone werden Teil der Identität von Menschen, zum persönlichen Interaktionsknotenpunkt. Aber das wird nicht alles sein. Es wird Haushaltsroboter geben. Ein netter Roboter, mit dem man reden kann, der grüßt und dich erkennt, der dich beim Namen nennt und erzählt, was im Haus los ist: "Du hast drei Telefonate bekommen, soll ich sie abspielen? Deine Schwester Erika hat angerufen, soll ich sie zurückrufen?" Ich glaube, es wird derartige emotional ansprechenden Schnittstellen geben.

STANDARD: Sie arbeiten an einer smarten Mikrowelle. Was soll die können?

Helal: Es geht darum, Informationen mobil zu machen. Wir bringen elektromagnetisch lesbare Informationen, RFID-Tags, an Verpackungen an. Wenn diese in die Nähe der Mikrowelle kommen, weiß sie, dass es schwedische Fleischbällchen sind und wie sie zubereitet gehören. An einem TV-Schirm wird angezeigt, dass das Essen fertig ist. Das funktioniert, wenn Geräte miteinander kommunizieren können.

STANDARD: Wann wird man solche Anwendungen kaufen können?

Helal: Ein Smart Home kann komplizierte und einfache Dinge managen. Ein Smart Home könnte die Wohnung der Großmutter sein, mit ein paar Sensoren, die dem Enkelkind erlauben, einfache Nachrichten über sie zu empfangen: ob sie glücklich ist oder deprimiert, ob sie aktiv ist. Erste Mainstream-Anwendungen sollten in fünf Jahren am Markt sein.

STANDARD: Und der Roboter?

Helal: In Asien gibt es schon viele Roboter. Die Frage ist: Sind Roboter so erfolgreich wie das iPhone oder Android? Die Antwort: noch nicht. Man soll vor dem Fernseher sitzen und ein spezifisches Verhalten eines Roboters kaufen können. Man lädt es herunter, und am nächsten Morgen hat der Roboter einen anderen Charakter.

STANDARD: Selbstständig agierende Geräte können frustrieren. Wie kann man dem Gefühl von Kontrollverlust vorbeugen?

Helal: Ein guter Einwand. Wir müssen studieren, was die Leute wirklich brauchen. Nur die benötigte Hilfe soll zur Verfügung gestellt werden. Wenn die Mikrowelle die Zubereitungsanleitung für florentinische Quiche immer wieder aufs Neue vorliest, ist das frustrierend. Die Konzepte müssen anpassungsfähig bleiben und nur Unterstützung bieten, die gebraucht wird. Hilfe muss in einer möglichst personalisierten Art gegeben werden. Deshalb kann ein Roboter, der lacht und nett ist, der beste Vermittler sein. Viel besser als ein unheimliches Haus, in dem plötzlich der Satz "Du bewegst dich nicht genug" aus dem Lautsprecher schallt.

STANDARD: Es gibt Datenschutz-Bedenken. Wie stehen Sie dazu?

Helal: Das Einfachste ist, Informationen nicht weiterzugeben. Die Daten sollen möglichst dort verwendet werden, wo sie entstehen. Für Daten, die weitergegeben werden, müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden. Vielen Leuten sind Video- und Audiosensoren nicht behaglich, die müssen wir vermeiden, wo immer es geht. Wenn jemand dringende Betreuung braucht, soll die aber im Vordergrund stehen.

STANDARD: Ab wann ist der Einsatz von Technik inhuman und ersetzt nur menschliche Fürsorge?

Helal: Wenn ich alt bin, bemerken nicht einmal meine besten Freunde die Nervenaktivität an meiner Hüfte. Die sind aber ein Zeichen, das anzeigt, ob ich hinfallen könnte. Ein tragbarer Sensor, der Informationen drahtlos weitergibt, ist in dem Fall der Superheld unter den Sensoren. Wir sollten alle zu ihm sagen: "Wunderschön. Danke, Sensor! Du rettest dem Mann das Leben." In bestimmten Situationen müssen wir Sensoren vertrauen, weil sie das Richtige machen. Aber wenn wir nur Sensoren und Technik verwenden und die Auswirkungen auf den Menschen vergessen, dann haben wir Probleme. Ein Ansatz ist, Social Networks einzubinden, etwa Nachbarn, die per Facebook nachsehen, ob es einer Person gutgeht. Wir können nicht alles mit Sensoren machen. Wir müssen Menschen involvieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 01.06.2011)

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Wissen: Das helfende Haus

In Smart Homes werden Räume mit vernetzten Sensoren und Applikationen ausgestattet, um bestimmte Dienste bereitzustellen. Die Services reichen von der Erinnerung zur Medikamenteneinnahme über das Abrufen von Informationen über die Aktivität einer Person bis zum Erkennen von Verletzungen mit automatischer Alarmierung von Einsatzkräften.

Der Bereich Pervasive Computing beschäftigt sich mit der Technik der elektronischen Vernetzung von Gegenständen, dem sogenannten "Internet der Dinge".

Smart Homes finden im Bereich Ambient Assistet Living, also umgebungsgestützten Lebens, Anwendung. Dabei wird nach Mitteln gesucht, die mehr Autonomie, Selbstbewusstsein und Mobilität für ältere Menschen gewährleisten sollen. (pum)