Kögler: "Kann nicht Sinn in einem Rechtsstaat sein, dass man Bürgermeister zu Bittstellern macht."

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STANDARD: Sie haben sich die Zahlen über die Bedarfszuweisungen für rote und schwarze Gemeinden in Niederösterreich ausheben lassen. Was hat dafür den Ausschlag gegeben?

Kögler: Das Gerücht, dass VP-Gemeinden mehr Bedarfszuweisungen bekommen als sozialdemokratische, geht schon seit Jahren um. Aufgrund von Bauchgefühl kann man nicht irgendwas behaupten, darum habe ich nachgeforscht.

STANDARD: Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen?

Kögler: Es gibt ganz eindeutige Unterschiede. Wir haben pro Jahr pro Kopf gerechnet - die ÖVP kontert nämlich immer, es leben viel mehr Einwohner in VP-Gemeinden, daher bekommen sie in absoluten Zahlen mehr Geld, was auch richtig ist. Wenn ich pro Einwohner rechne, müsste dann dasselbe herauskommen - so ist es aber nicht. In unserem Bezirk Neunkirchen sind es pro Kopf in ÖVP-Gemeinden 158 Euro und in SPÖ-Gemeinden pro Kopf 38 Euro - wieso? Diese Frage hat mir bis jetzt noch keiner beantworten können.

STANDARD: Woher sind die Zahlen?

Kögler: Ich habe die letzten drei Jahre unseres Bezirks im Büro Leitner (Sepp Leitner, Chef der SPÖ Niederösterreich, Anm.) angefordert, und er hat sie vom Büro Pröll bekommen.

STANDARD: Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Kögler: Ich fordere Transparenz und einen Kriterienkatalog. Als Bürgermeister - ich glaube, da werden mir auch ÖVP-Bürgermeister zustimmen - wollen wir eine gewisse Sicherheit haben, für welches Projekt man wie viel bekommt oder was prioritär ist. Wir haben zum Beispiel in unserer Gemeinde letztes Jahr einen Bauhof gebaut. Das Projekt macht in der Planung 700.000 Euro aus. Bis zum Sommer haben wir vom Land 20.000 Euro gekriegt. Dann kommt das Prozedere, das wir "Scheitel knien fahren" nennen: Man schreibt dem Landeshauptmann einen Bittbrief, pilgert nach St. Pölten. Im Dezember haben wir noch einmal 50.000 Euro erhalten.

STANDARD: Weil Sie "Scheitel knien" waren?

Kögler: Ich habe die Minimalvariante gewählt und einen Brief geschrieben. Es kann nicht Sinn und Zweck in einem Rechtsstaat sein, dass man Bürgermeister zu Bittstellern macht - das sind Steuergelder. Das ist demokratiepolitisch ein Wahnsinn.

STANDARD: Hat die ÖVP-Seite auf Ihre öffentliche Kritik reagiert?

Kögler: Es hieß, das sei Unsinn und an den Haaren herbeigezogen; aber keiner konnte andere Zahlen vorlegen. Die Unberechenbarkeit macht allen zu schaffen, das hab ich auch von Kollegen der anderen Fraktion gehört. Wer gute Beziehungen zum Landeshauptmann hat, kriegt Geld. Sozialdemokratische Gemeinden sind da von Haus aus benachteiligt. (Gudrun Springer, STANDARD-Printausgabe, 1./2.6.2011)