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Getreide gilt als Schwachstelle des Biogeschäfts und ist anfällig für Unfälle wie Tricksereien.

Foto: dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

Mehr als hundert Tonnen sind belastet. Die Ware wurde gesperrt. Die Suche nach der Quelle der Verunreinigung beginnt.

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Wien - Österreichs Biobranche setzen nicht nur kontaminierte Gurken aus Spanien zu. Turbulenzen keimen auch rund um heimisches Getreide auf. Es geht um Roggen aus Bioanbau, im Mittelpunkt der Untersuchungen steht Raiffeisen, erfuhr der Standard. In zwei ihrer Silos wurden Spuren von Chlormequat gefunden. Es ist ein halmverkürzendes Mittel, das im Biolandbau verboten ist. Die betroffene Ware wurde gesperrt. Inspektoren prüfen derzeit verantwortliche Lagerhäuser in den Bezirken Weitersfeld und Hollabrunn.

Mit den Wachstumsregulatoren belastet sind fast 120 Tonnen, bestimmt waren sie unter anderem für österreichische Großbäcker. In den Verkehr gebracht wurden sie nicht - da von Mühlen noch nicht vermahlen. "Wir schauen uns nun an, woher diese Kontaminierung kommt", sagt Karl Peter Pongratz von Bio-Kontrollstelle der SGS.

Diese hat die Muster für die Proben im Auftrag der Bio-Qualitätsgetreide GmbH eingeholt. Die Lebensmittelversuchsanstalt untersuchte sie auf Rückstände. Aus ihrem Prüfbericht vom 26. Mai geht hervor, dass drei der Proben mit Chlormequat belastet waren, eine davon mit 0,021 Milligramm je Ki- logramm. Zulässig sind bei Biogetreide höchstens 0,01 Milligramm.

"Handlungsbedarf"

Michael Gartner, Chef der Versuchsanstalt, ist ob einzelner Proben seines Instituts zu Verschwiegenheit verpflichtet. Generell lasse sich eine Belastung dieser Höhe nicht mehr damit argumentieren, dass sie unvermeidbar und unbeabsichtigt gewesen sei, sagt er und sieht in diesen Fällen Handlungsbedarf. Chlormequat wird im konventionellen Ackerbau eingesetzt, um rasches Knicken der Halme bei Regen oder Wind zu verhindern, gilt aber als genotoxisch. Es sei ein systemisches Mittel, das die Pflanze aufnehme und sich im Getreidekorn wiederfinde, erklärt Gartner. Es sei bei derartigen Kontaminierungen naheliegend, dass Bioware entweder mit konventioneller vermengt wurde oder es direkt an ihr angewendet wurde.

Die Ware landete sauber im Silo der Raiffeisen-Lagerhäuser, Spuren von Chlormequat in Biogetreide fanden sich erst bei der Auslieferung, meint Andreas Kocourek, früherer Chef der Agentur für Biogetreide, mit Verweis auf Untersuchungen. Die Agentur arbeitete als Dienstleister der Bio-Qualitätsgetreide GmbH, rutschte in Konkurs und schließt heute ihren Betrieb.

Keine Ware in den Verkehr

Aus seiner Sicht gingen bei großen Handelskonstrukten die Kontrollmechanismen rund ums Biogetreide verloren. Politischer Einfluss und Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen führe zu solchen Komplikationen, ist er überzeugt. Andere sprechen von systemimmanenten Unfällen, seien etwa die Lager nicht getrennt.

Größe habe nichts mit der Frage der Qualität zu tun, entgegnet Reinhard Wolf. Der aktuelle Vorfall sei nicht erfreulich, sagt der Vorstand der Raiffeisen Ware Austria, er zeige aber, dass die Sicherheitssysteme sofort angeschlagen hätten. Und ein Teil von ihnen sei die Kontrolle durch andere Marktteilnehmer, "keine Ware kam in den Verkehr, die Ursachen werden in den kommenden Tagen geklärt, ein normales Procedere".

Raiffeisen steigt heuer nach der Krise bisheriger Anbieter in den überregionalen Handel mit Biogetreide ein. "Wir werden keinen verdrängen oder rauskicken. Niemand muss sich bedroht fühlen." (Verena Kainrath, DER STANDARD-Printausgabe, 31.5.2011)