"Die Welt ist so flach geworden" , sagt Walid Raad zu dieser Museumskulisse. Jedoch: "Das sei nicht metaphorisch gemeint."

Foto: Walid Raad

Wien - Am Ende seiner Performance zeigt Walid Raad mit scharfer Geste auf ein gelbes Bild und sagt: "Das ist nicht Gelb!" Schließlich auf ein rotes: "Das ist nicht Rot!" Spätestens dann wird klar, dass der libanesische Künstler mit Scratching on Things I Could Disavow etwas vorführt, das wir von David Lynchs TV-Serie Twin Peaks kennen: "Die Eulen sind nicht das, was sie scheinen."

Mit - unter anderem - diesem Satz wird Special Agent Dale Cooper verkündet, dass die wahrgenommenen Oberflächen der Wirklichkeit deren innere Dynamiken verschleiern. Wie diese Verkündigung funktioniert Raads Festwochen-Performance, während der er sein Publikum durch die Räume seiner Installation Scratching on Things I Could Disavow bei Thyssen-Bornemisza Art Contemporary führt. Denn Raad kratzt an Dingen, mit denen er, so die Übersetzung des Titels, "nichts zu tun haben wollen könnte" .

Es geht um eine Sache, die toll auszusehen scheint: den Pensionsfonds APT für Künstler. In Raum eins soll das Publikum vor einem wandgroßen multimedialen Schaubild Platz nehmen. Mit sachlicher Stimme, ganz im Stil eines Aufdeckers, erzählt Raad, eine Geschichte: Wie er eingeladen wurde, sich am Fonds zu beteiligen. Wie sich ihm Fragen stellten und er mit Nachforschungen begann. Dass er den APT-Gründer in New York aufsuchte.

Auf dem Schaubild sind seltsame Verbindungen zu sehen, in die APT eingebettet ist. Als Eigentümerin gilt die in einem Steuerparadies registrierte Datenbank-Firma MutualArt, die maßgeschneiderte Informationen über das weltweite Kunstgeschehen vertreibt. Raad zeigt Vernetzungen zwischen Hightech-Unternehmen und militärischen Geheimdiensten, verfolgt die APT-Verbindung mit Abu Dhabi, wo an schillernden Museumsprojekten (Guggenheim, Louvre) gearbeitet und massiv in Kultur investiert wird, und fragt nach den Motiven dafür. Lancieren die Scheichs von Dubai, dem reichsten der Golf-Emirate, eine "Arabische Renaissance" , oder ist es investorischer Zynismus, der da am Werk ist?

Raad gelingt es, seine Dokumentation auf eine assoziative Ebene zu übertragen, was die Besucher einigermaßen verunsichert. Was ist hier Fakt, was Fiktion? So überträgt der Künstler das Verdachtsmoment, das ihn zum Recherchieren antrieb, auf jene, die er nun von Raum zu Raum führt. Und er thematisiert damit, dass alle Dokumentation fiktionale Elemente in sich trägt, vor allem in politischen Systemen, die ideologisch stark aufgeladen sind.

Die Eulen sind eben nicht, was sie scheinen. Raad führt hinter das System der Trugbilder und veranschaulicht so die Scheinmanöver in der Aufmerksamkeitswirtschaft der Kunstwelt. (Hemut Ploebst, DER STANDARD - Printausgabe, 28./29. Mai 2011)