Mit vollem Körpereinsatz: Grischka Voss.

Foto: Barbara Palffy

Wien - 1970 hatte Thomas Bernhards erstes abendfüllendes Stück Ein Fest für Boris in Hamburg Premiere: Eine beinlose reiche Dame, genannt "die Gute", plant mit ihrer Dienerin Johanna, welche sie fortlaufend terrorisiert, ein Fest für den - ebenfalls beinlosen - Boris, den sie nach dem Tod ihres ersten Mannes aus dem nahegelegenen "Krüppelasyl" herausgeheiratet hat.

Sehr frei nach diesem Werk zeigt das Bernhard Ensemble (Kirchengasse 41) in einer Bearbeitung des Autorenduos Ernst Kurt Weigel und Grischka Voss das Stück Boris.Fest. Genauer gesagt: Sie haben ein Textgerüst erstellt, Grischka Voss improvisiert die Suada jeden Abend neu. Sie gibt "Die Gute": ein gealtertes It-Girl, nicht beinlos, aber an eingebildeter Fettleibigkeit leidend.

Ihre Mitbewohnerin Johanna (Eva Reinold) hat sie mittels eines Castings ausgewählt: ein dienendes, weitgehend schweigsames Groupie im pinkfarbenen, spitzenbesetzten Jeanskleid. Statt Briefen werden Mails geschrieben, statt Handschuhen und Hüten biomolekular optimierte Häppchen durchprobiert. Boris (Kajetan Dick), der Dritte im Bunde, soll die Einsamkeit der beiden Frauen lindern. Die Gute hat den traumatisierten Asylanten von der nahegelegenen U3-Station heraufgeheiratet.

Boris.Fest, präzise auf Licht- und Toneffekte hin inszeniert von Ernst K. Weigel, ist - fast - eine One-Woman-Show. In schwarzer Lederkluft und mit vollem Körpereinsatz monologisiert It-Girl Grischka Voss fulminant über aktuelle Zustände, über den Staat, gesellschaftliche Werte, den Mensch als Geisteswesen, über Macht und Ohnmacht. Zwingt die anderen Figuren über weite Strecken zu Stummheit.

Thea Hoffmann-Axthelms Bühne spiegelt die verfahrenen Beziehungen wider: Drei unterschiedlich hohe Holzkästen auf Rollen, in denen die Schauspieler stecken und sich verstecken, symbolisieren die Privatsphären der Figuren: Eingekerkert können Johanna und Boris die (feststehende) Kiste der Guten umkreisen. Die nimmt sich indes alle Freiheiten, klettert auf die Kästen der anderen. Trampelt auf ihnen herum.

Mangels Darsteller für die 13 geladenen Festgäste schlüpfen im letzten Teil Eva Reinhold und Kajetan Dick, bis dahin eher "supporting actors", höchst unterhaltsam in unterschiedlichste Rollen.

Mit einem schönen Bühneneffekt und Bravorufen endet das schrecklich lustige Dreiecksverhältnis: ein echter Bernhard - ohne einer Zeile von Thomas Bernhard. (Sabina Zeithammer/ DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2011)