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Foto: EPA/JUAN FERRERAS

So bewundernswert die Spontanität und Energie der Jugendproteste in Spanien auch sind, so frustrierend ist ihr Mangel an konkreter Botschaft und Vision. Die Jugendlichen sind gegen das herrschende politische und wirtschaftliche System – und das mit Recht. Allerdings klingt bei ihrem Frust durch, dass sie nicht begreifen, woran es in Spanien wirklich krankt.

Die Hauptursache für die wirtschaftliche Misere des Landes ist der verknöcherte Arbeitsmarkt, ein Relikt des Korporatismus der Franco-Zeit. Weil in einem faschistischem Staat jeder ein Recht auf und die Pflicht zu Arbeit hat – bis auf die Frauen, die zuhause bleiben sollen – war es Arbeitgebern praktisch unmöglich, Mitarbeiter zu feuern.

Dieser exzessive Kündigungsschutz führte dazu, dass trotz starkem Wachstum über die Jahre immer weniger Menschen zu regulären Bedingungen angestellt wurden.  Es entstand ein völlig zweigeteilter Arbeitsmarkt – mit gut geschützten, privilegierten Arbeitnehmer, die meist gewerkschaftlich organisiert sind, und der großen Masse an Menschen, die höchstens temporäre, prekäre oder gar keine Arbeit finden. Das sind vor allem die Jungen. Sie leiden unter Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 40 Prozent.

Konservative wie linke Regierungen unternahmen fast nichts, um die Arbeitsgesetze zu reformieren. Und versuchten sie es, wurden sie von den Gewerkschaften gestoppt. Als Lösung für die hohe Arbeitslosigkeit diente lange Zeit der Bauboom. Doch der entstand auf einem Berg von Schulden, die das Land schließlich in die Krise rutschen ließ.

Für Spanien gibt es nun einen einzigen Ausweg: eisern sparen, um die Finanzmärkte an der Stange zu halten, damit sie die Staatsschulden weiter finanzieren, und dabei endlich alle notwendigen Strukturreformen zu unternehmen. Das ist der Kurs der Regierung Zapatero, die das allerdings etwas halbherzig angeht.

Die Gefahr ist, dass die schwere Niederlage bei den Regionalwahlen und die Massenproteste den Reformeifer des sozialistischen Premiers noch weiter dämpfen werden. Die jungen Menschen klingen nicht so, als würden sie für eine Aufweichung des Kündigungsschutzes kämpfen, der ihnen solchen Schaden zufügt.

Im Gegenteil, sie erinnern an die Jugendrevolte in Frankreich 2006, als der damalige Premier Dominique de Villepin mit gutem Grund den Kündigungsschutz für junge Arbeitnehmer lockern wollte, um mehr Jobs zu schaffen. Der Zorn der Straße ließ ihn damals das CPE genannte Projekt wieder aufgeben - und die Jugendarbeitslosigkeit blieb weiter hoch.

Die Demonstranten kämpfen gegen das Diktat der Finanzmärkte. Aber diese Abhängigkeit von der Gunst der Gläubiger hat Spanien sich selbst zuzuschreiben - durch die frühere Politik der Schulden. Aus der gibt es keinen schmerzlosen, sozial gut verträglichen Ausweg. 

Wenn die Protestbewegung nun das Vertrauen der Märkte und der EU-Partner in die Entschlossenheit des spanischen Sparkurses untergräbt, dann droht dem Land das Schicksal des kleinen Nachbars Portugal.

Dann kann es seine Staatsschulden nicht mehr am Kapitalmarkt finanzieren, muss um Hilfe vom Euro-Rettungsschirm ansuchen und schließlich einem noch viel härteren Sparprogramm zustimmen. Es wäre das Gegenteil von dem, was sich die Jugendlichen eigentlich wünschen.

Aber es wäre nicht das erste Mal, wenn jugendlicher Elan an harten Realitäten zerschellt.