Ilse Dippmann (53) aus Wien führt mit ihrem Lebensgefährten Andreas Schnabl die "Österreichischer Frauenlauf GmbH". Läuft dreimal die Woche, bestritt 29 Marathons. War früher Sportlehrerin, ist mittlerweile karenziert und kümmert sich hauptberuflich um die Organisation des Frauenlaufs sowie eines Kinderlaufs, der am Samstag das Laufwochenende im Prater eröffnet.

Foto: DER STANDARD/Österreichischer Frauenlauf GmbH / Diener

Standard: Der Frauenlauf bringt mittlerweile fast so viele Menschen in Bewegung wie der Vienna City Marathon. 1988, bei der Premiere, liefen 400 Frauen mit. War der Marathon das Vorbild für Sie?

Ilse Dippmann: Ich würde sagen, dass eher der Wien-Marathon von uns profitiert hat als umgekehrt. Wir sind sicher daran beteiligt, dass der Frauenanteil speziell beim Halbmarathon und in den Staffeln gestiegen ist. Viele, viele Frauen setzen bei uns den ersten Schritt und machen dann weiter.

Standard: Was die Organisation betrifft, gibt es keine Berührungspunkte mit dem oder Parallelen zum Marathon?

Dippmann: Ich bin durch und durch Organisatorin. Meine Ideen hab ich mir vor allem aus dem Ausland geholt. Auch bei wirklich großen Events, beim Chicago-Marathon zum Beispiel. Heuer haben sich für den Frauenlauf übrigens sogenannte Official Observers vom New York Road Runners Club angekündigt. Dass die sich ansehen wollen, wie wir die Organisation hinkriegen, ist eine große Ehre für mich.

Standard: Wie viele Menschen sind mit diesem Organisieren des Frauenlaufs beschäftigt?

Dippmann: Wir haben vier Vollzeit-Mitarbeiterinnen, das ganze Jahr über. In den letzten Monaten vor dem Lauf sind 22 bis 25 Bereichsleiter eingeteilt. Und am Laufwochenende selbst sind 600 Mitarbeiter im Einsatz. Die Arbeit, der Aufwand, die Logistik sind viel mehr geworden. 1988 haben wir die Startsackerln mit den Goodies im Wohnzimmer fabriziert, jetzt kommen Lkws und laden vor zwei Großraumzelten ab.

Standard: Wird die Arbeit, die Organisation ausschließlich von Frauen erledigt?

Dippmann: Natürlich nicht. Das Geschlecht ist nur für die Teilnahme am Lauf Bedingung.

Standard: Wieso eigentlich wollen so viele Frauen beim Laufen unter sich bleiben? Es gibt doch unzählige Läufe, an denen sie genauso gut teilnehmen könnten, gemeinsam mit Männern halt.

Dippmann: Erstens sind wir ein Superevent geworden. Für viele Frauen ist schon das Feeling am Start speziell. Da wird eine andere Musik gespielt als bei sonstigen Läufen, allein das macht viel aus, die Teilnehmerinnen können sich die Songs vorher via Facebook aussuchen. Zweitens laufen Frauen anders als Männer, speziell wenn sie erst damit begonnen haben. Selbstvertrauen entwickeln, sich etwas zutrauen, darum geht es. Wären Männer dabei, wären bei vielen Frauen die Selbstzweifel höher. Es würde zu schnell ein Leistungsdruck entstehen.

Standard: Aber Frauen sind doch genauso ehrgeizig wie Männer.

Dippmann: Nicht mehr und nicht weniger ehrgeizig, aber Frauen sind anders ehrgeizig als Männer. Frauen wollen sich den Leistungsdruck selbst machen. Natürlich entsteht auch beim Laufen ein Ehrgeiz. Viele steigen von fünf auf zehn Kilometer um, viele wollen sich steigern, vergleichen ihre Zeiten, trainieren professioneller. Übrigens ist es nicht selten so, dass eine Frau, die läuft, damit die ganze Familie beeinflusst. Viele Männer beginnen erst wegen ihrer Frauen mit dem Sport. So gesehen bringt der Frauenlauf auch Männer zum Laufen.

Standard: Sie setzen am Sonntag exakt 25.140 Frauen in Bewegung. Was tun Sie, um sie in Bewegung zu halten?

Dippmann: Wir betreuen die Frauen das ganze Jahr über. Der erste Lauftreff wurde 1997 gegründet, Mittwoch 18.30 Uhr Hauptallee. Jetzt treffen sich jeden Mittwochabend mehr als 500 Frauen im Prater. Unser Programm "Fit in zwölf Wochen" umfasst Lauftreffs an 43 Standorten in ganz Österreich. Seit heuer organisieren wir auch einen Frauenlauftreff in Bratislava. Leider können gar nicht alle mitlaufen, die mitlaufen wollen, 2500 Frauen stehen auf der Warteliste. Es ist alles auf 25.140 Teilnehmerinnen ausgerichtet, die Anmeldung hat am 1. März begonnen, am 31. März waren wir voll.

Standard: Wann und wie und warum hat das alles angefangen?

Dippmann: Ich bin 1986 in New York meinen ersten Marathon gelaufen, da bekam ich einen Frauenlauf-Folder in die Hand. Das war zu einer Zeit, als auf der Hauptallee insgesamt fünf Frauen gelaufen sind - drei Leichtathletinnen, eine Freundin von mir und ich. Ich hab mir dennoch oder deshalb gedacht, dass ich einen Frauenlauf in Wien organisieren könnte. Zunächst hat's geheißen, das kannst du nicht machen, das ist so eine Emanzengeschichte. Aber ich war hartnäckig, hab 1988 in Laxenburg den ersten Lauf organisiert. Heute gibt's ja Facebook, Websites und Newsletter. Damals haben wir kleine Zettel kopiert und vor Einkaufszentren und bei Kinderspielplätzen ausgeteilt.

Standard: Und allein das Internet hat alles potenziert?

Dippmann: Mitte der 90er hatten wir immer noch weniger als 1000 Teilnehmerinnen, da haben wir den Bern-Frauenlauf inspiziert, da liefen zehnmal so viele Frauen mit. Abgeschaut haben wir uns die Berner Partnerschaft mit der Bundesbahn und das Angebot einer Kinderbetreuung. 1997 ist dann dm unser Hauptsponsor geworden, allein das Filialnetz war am Anfang eine große Hilfe.

Standard: Was ist das Ziel? Wollen Sie punkto Teilnehmerzahl den Vienna City Marathon überholen?

Dippmann: Das ist sicher nicht das Ziel. Es geht auch nicht in erster Linie darum, jedes Jahr einen neuen Teilnehmerinnenrekord zu erzielen. Es geht darum, dass trotz der Größe der Veranstaltung ihr familiärer Charakter erhalten bleibt. Dass viele Frauen, die sich vor zwölf Wochen keine fünf Kilometer im Laufschritt zugetraut haben, ihr Ziel erreichen. Und dass jede Frau, die mitläuft, sich wohlfühlt und zufrieden ist.

(Die Fragen stellte Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe 21./22.5.2011)