Biennale von Venedig: Noch liegen Aluminiumplatten auf der Wiese vor dem österreichischen Pavillon, den Markus Schinwald in ein Labyrinth verwandeln wird.

Foto: Valerie Messini

Markus Schinwald, unser Mann auf der Biennale.

Foto: Valerie Messini

Die 54. Biennale von Venedig ist die Mutter aller Biennalen. 89 Nationen nehmen heuer teil. Derzeit werden die Länderpavillons für die Eröffnung am 3. Juni auf Hochglanz gebracht.

Sicher, auf der Seufzerbrücke und im Gassengewirr zwischen Rialtobrücke und Markusplatz herrscht auch jetzt schon Fußgängerstau. Aber noch ist die internationale Kunstkarawane nicht in Venedig eingetroffen, noch ankern nicht Megajachten mit Hubschrauberlandeplatz an der Riva dei Sette Martiri. Noch ist das trübe Wasser des Canal Grande nicht von zahllosen privaten Motorbooten aufgewühlt. Und für Öffi-Benutzer gibt es auf den Vaporetti sogar noch Sitzplätze.

Anfang Juni aber, wenn die Berichterstatter und Sammler und Künstler und Galeristen und Schönen und Reichen zur "Sehschlacht am Canal Grande" (© Alfred Schmeller) einfallen, dann ist alles anders und selbst ein Stehplatz auf dem Wasserbus ein seltener Glücksfall. Das ist die Zeit, da echte Venezianer ihre Stadt fluchtartig verlassen und ihre Wohnungen um hunderte Euro pro Nacht und Schlafkammer vermieten. Raum ist während der Biennale-Eröffnungswoche ein knappes und vor allem teures Gut. So verkaufte die libanesische Nation ihre Ausstellungsfläche im Arsenal aus Kostengründen.

89 Nationen nehmen heuer an der 54. Kunstweltmeisterschaft teil, um elf mehr als noch vor zwei Jahren, die Präsentationsorte sind über alle Stadtteile verstreut. 28 Pavillons befinden sich in den Giardini, dem eindeutig schönsten Schauplatz für Weltkunst.

Internationale Aufbauten

Einige der nationalen Kunsthäuser haben den Aufbau bereits abgeschlossen, andere noch nicht einmal angefangen. Über dem Eingang des belgischen Pavillons prangt immerhin schon in leuchtend roter Neonschrift "Feuilleton" als Lockruf für Kulturjournalisten; drin herrscht noch Chaos - so wie bei den Schweizern: Riesenstahlkonstruktionen, mit Staniolpapier umwickelte Autoreifen, Autositze und viel anderes Zeugs harren der ordnenden Künstlerhand Thomas Hirschhorns.

Der russische Pavillon scheint noch winterfest verriegelt, immerhin wurde Kurator Boris Groys schon auf dem Gelände gesichtet. Lange war nicht sicher, ob Ägypten seinen Pavillon überhaupt aufsperren wird: Der Künstler Ahmed Basiony wurde auf dem Tahrir-Platz erschossen.

Im zentralen Pavillon herrscht strengstes Betretungsverbot (eben-so wie im Arsenale, wo die österreichische Boygroup Gelitin ihren Open-Air-Para-Pavillon bereits installiert hat). Betriebsamkeit bei Griechen und Japanern, Großeinsatz vor und im britischen Pavillon. Vor dem US-Pavillon haben die Amerikanerin Jennifer Allora und der gebürtige Kubaner Guillermo Calzadilla einen Panzer postiert, nebenan die Deutschen ihr diesjähriges Schlingensief-Memorial mit Holzplanken vernagelt; hier werden sich bei der Eröffnung sehr wahrscheinlich die längsten Schlangen bilden.

Beim dänischen Pavillon, traditionell einem der interessantesten, ist unter freiem Himmel eine "Kill Berlusconi"- Installation geplant. Mal sehen, heißt es, was die Italiener dazu sagen. Dass die, zumindest was die Biennale-Organisation angeht, künftig lieber weniger sagen dürfen sollten, das wünschen sich - off the records - einige Länderkommissäre: "Es herrscht das totale Chaos. Eine dänische oder deutsche Abordnung sollte künftig die Organisation übernehmen."

Österreichs Abgründe

Biennale, eine reine Nervensache - sagt Eva Schlegel. Und die muss es wissen, 1995 war sie teilnehmende Künstlerin, jetzt ist sie als Kommissärin für die Bespielung des Josef-Hoffmann-Pavillons verantwortlich. Der sei zwar österreichisches Hoheitsgebiet, aber natürlich habe sie das diesjährige Biennale-Thema Illuminations bei der Künstlerwahl berücksichtigt: "Mir ging es um den Abgrund. Um den Schatten." Aus einer "irrsinnig langen Shortlist" wählte sie schließlich den 38- jährigen gebürtigen Salzburger Künstler Markus Schinwald: "Eva hat mir erzählt, was sie daran interessiert. Aber das stand bei meinen ersten Überlegungen gar nicht unbedingt im Vordergrund."

Ein bisschen unangenehm sei ihm der Österreich-Repräsentationszusammenhang: "Man wird angesehen wie ein Skifahrer, der zur Olympiade geschickt wird. Und der österreichische Pavillon ist ja keinem egal, da hat jeder Bezugspunkte."

Das Sonnenlicht malt geometrische Muster an die Wände des Labyrinths, das Schinwalds Team in den Pavillon einpasst. Und das, wenn es fertig ist, auch ein wenig an das verwirrende Gassenwerk der Lagunenstadt erinnern wird. Noch liegen auf der Wiese vor dem Pavillon, riesigen Leintüchern gleich, Aluminiumplatten - wie alles benötigte Material übrigens zur Gänze Österreich-Importe.

Fünfzehn Firmen sind an der Umsetzung von Schinwalds Plänen beteiligt, Waagner-Biro und Strabag als fördernde Partner. 400.000 Euro standen als Budget zur Verfügung, 300.000 konnte Schlegel mittels privater Sponsoren auftreiben. Das letzte Halbjahr setzte sie Zeit und Kraft ausschließlich für die Venedig-Biennale ein. Das habe durchaus Spaß gemacht, aber noch einmal? Nein.

35 Menschen arbeiten auf Österreichs derzeit vermutlich prestigeträchtigster Kunstbaustelle. "Gott sei Dank bedenkt man bei der künstlerischen Planung nicht, was an Manpower zur Umsetzung vonnöten ist", sagt Schinwald. "Sonst hätte ich das Projekt vermutlich nicht vorgeschlagen."

Schon jetzt hat das venezianische Guggenheim-Museum für die diesjährige Biennale übrigens drei Empfehlungen ausgesprochen. Eine davon: der österreichische Pavillon.

Wäre ja zu schön, wenn sich zu Franz Wests Goldenem Löwen für das Lebenswerk noch der Löwe für den besten Pavillon gesellte. (Andrea Schurian aus Venedig/ DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.5.2011)