ModeratorIn: Liebe User, wir begrüßen Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) im Chat. Bitte stellen Sie Ihre Fragen!

Sebastian Kurz: Hallo und schönen Nachmittag, ich freu mich auf die Fragen.

G.Sindl: Das neueste Lieblingswort Ihrer ParteikollegInnen scheint "Leistungsträger" zu sein. Definieren Sie bitte, was das für Sie bedeutet.

Sebastian Kurz: Leistungsträger ist für mich jemand der in Österreich etwas weiterbringen will. Da gehört für mich Erwerbsleben, aber genauso Ausbildung, ehrenamtliche Tätigkeit und auch Verantwortung gegenüber Familienangehörigen und Freunden dazu.

Hansi Huber: Sie haben die Wehrpflicht als Instrument der Integration bezeichnet. Ist auf das "differenzierte" Schulwesen ein solches Instrument der Integration?

Sebastian Kurz: Integration kann und soll überall dort stattfinden, wo Menschen mit unterschiedlicher Herkunft aufeinandertreffen. Das ist beim Bundesheer sehr stark der Fall, aber natürlich auch in Kinderbetreuungseinrichtungen und in der Schule. Ich war in einem Gymnasium im 12. Bezirk in einer Klasse in der ca. die Hälfte der SchülerInnen Migrationshintergrund gehabt hat.

kuq_e_zi: Wie definieren SIE das Wort Integration?

Sebastian Kurz: Für mich bedeutet Integration positives Zusammenleben. Miteinander statt Nebeneinander.

Suffy: Wie können Sie als Staatssekretär etwas bewirken? Bis jetzt hat man nur gehört, dass Sie mit diversen Leuten und Gruppen sprechen. Das ist zwar sicher nicht schlecht, löst aber keine konkreten Probleme.

Sebastian Kurz: Zuerst ist es wichtig, die Debatte in Österreich zu versachlichen. Es ist notwendig, dass endlich zwischen Asyl, Zuwanderung und Integration unterschieden wird. Es ist daher vorallem auch eine kommunikative Aufgabe. Zusätzlich dazu gibt es Mittel in meinem Ressort und auch in allen anderen Ressorts, da Integration eine Querschnittsmaterie ist, mit denen man durch gezielte Projekte Integration fördern kann. Es geht hier um ein gutes Angebot an Deutschkursen und Förderungsmöglichkeiten und um Projekte, die mithelfen Vorurteile abzubauen und Motivation zu schaffen.

Crash2k: warum bekommen drittstaatsangehörige, die ein studium in österreich verfolgen und abschließen, nicht automatisch eine unbefristete niederlassungs- und arbeitserlaubnis? immerhin sind sie ja die von der övp gepriesenen zukünftigen leistungsträger un

Sebastian Kurz: Ab 1. Juli gilt das neue Fremdenrechtsänderungsgesetz, das für Drittstaatsanghörige Studierende in Österreich deutliche Verbesserungen bringt. Jeder hat nach Abschluss seines Studiums sechs Monate Zeit, um in Österreich einen Job zu suchen und es gibt jetzt auch schon die Möglichkeit für diese Studierenden neben ihrem Studium zehn bzw. zwanzig Stunden berufstätig zu sein. Das stellt sicher, dass wir gut ausgebildete junge Menschen, die in Österreich bleiben wollen, nach Abschluss ihres Studiums hierbehalten können.

Klaus Schwertner: schön, dass es jetzt einen staatssekretär ist für integration gibt. bei der initiative gegen-unrecht: kinder gehören nicht ins gefängnis! haben wir gemeinsam mit über 116.000 menschen auf die faktisch gut integrierten familien aufmerksam gemacht, di

Sebastian Kurz: Der sagt: ich bin der festen Überzeugung, dass Asylverfahren in Österreich möglichst rasch abgewickelt werden sollten und ich bin froh, dass es eine Entwicklung in die Richtung gibt. Bei Fällen faktisch gelungener Integration gibt es die gesetzliche Möglichkeit eines humanitären Aufenthalts. Mir ist wichtig, dass hier jeder Einzelfall genau geprüft wird und auch im Einzelfall entschieden wird.

andreas weissnicht: Können Sie die Leute verstehen, die die FPÖ wählen, oder wählen würden?

Sebastian Kurz: Ich verstehe, dass es immer wieder Unzufriedene gibt und es gibt auch bei jeder Wahl eine gewisse Anzahl an Protestwählern. Dass sich die bei der FPÖ sammeln, halte ich naturgemäß für nicht gut. Was den Integrationsbereich betrifft, bin ich mir sicher dass wir hier mit Hetze nicht weiterkommen.

andreas weissnicht: Alf Poier wurde in einem Interview gefragt, ob er gegen Strache ist. Er meinte, er hält von ihm nichts, versteht aber die Leute, die ihn wählen - er selbst wohne in einem Bezirk, in dem man in der Nacht als Frau nicht mehr auf die Straße gehen brauc

Sebastian Kurz: Ich selber wohne in einem Bezirk, der jetzt nicht unbedingt zu den sichersten Wiens gehört, bin aber bis jetzt noch nicht in die Verlegenheit gekommen, deshalb die FPÖ zu wählen.

rapidwippi: Bitte klären Sie mich auf über die neue Schnapsidee Türkisch als Maturafach! Haben wir überhaupt nichts mehr mitzureden was unsere Kinder in der Schule lernen sollen und was nicht!?

Sebastian Kurz: Es gibt derzeit in Wien die Möglichkeit in über zehn Sprachen als zweite lebende Fremdsprache zu maturieren. Jetzt gibt es Stimmen hier auch türkisch als weitere lebende Fremdsprache für die Matura einzuführen. Ich glaube dass wir derzeit andere Prioritäten haben und dass es in unserem Schulsystem andere Verbesserungsnotwendigkeiten gibt.

prinz_adolin: Sehr geehrter Herr Staatssekretär, was kann Österreich/was können Sie von türkischer Kultur lernen? Gibt es in Österreich eine "Leitkultur"? Was ist das Ziel von Integration?

Sebastian Kurz: Ich halte nicht viel von dem Wort Leitkultur. Ziel unserer Integrationspolitik sollte es sein, ein positives Miteinander in Österreich zu erreichen. Ich glaube, dass man Menschen mit Migrationshintergrund auch als Chance sehen sollte. Viele bringen neben einer guten Ausbildung auch Mehrsprachigkeit und die Kenntnis einer anderen Kultur mit und können so, vorallem in österreichischen Unternehmen, die im Ausland tätig sind, nicht nur für sich selbst sondern auch für Österreich etwas weiterbringen.

odrr: Wie können wir, wir alle sind für den sozialen Frieden mitverantwortlich, im täglichen Alltag dazu beitragen, dass der Migrationshintergrund unserer Immigranten, zum österreichischen Vordergrund wird, und zwar ohne Assimilation?

Sebastian Kurz: Ich glaube es geht darum, Menschen nicht nach ihrer Herkunft, sondern nach ihrem Charakter und ihrer Leistung zu beurteilen. Das gilt für das Privatleben genauso wie für die Berufswelt.

Ted Mosby, Architect: In meinem Wohnhaus lebt eine Türkenfamilie, die keinen Kontakt zu gebürtigen Österreichern hat. Der Vater meidet jeden Kontaktversuch, obwohl seine Kinder Interesse hätten mit den unsrigen zu spielen. Wie wollen Sie dieser Familie bei der Integratio

Sebastian Kurz: Ich glaube das Integration vorallem über junge Menschen funktioniert. Es sind vor zwanzig bis dreissig Jahren zahlreiche Gastarbeiter nach Österreich geholt worden, ohne jeglicher Strategie was den Deutscherwerb oder die Integration betrifft. Wir haben daher einige Menschen in Österreich, die in einer Parallelgesellschaft leben und nur sehr schwer erreichbar sind. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man auch an diese Menschen herankommen kann, wenn man den Weg über die Kinder und Enkelkinder wählt.

Waldviertler1: Sollte die EU nicht vorübergehend afrikanische Kriegs-/Krisen-Flüchtlinge aufnehmen?, immerhin hat die EU jahrelang von Gadaffi & Co profitiert.

Sebastian Kurz: Asyl ist ein Menschenrecht, wenn jemand in Österreich um Asyl ansucht, wird sein Anspruch von unabhängigen Behörden geprüft, unabhängig davon aus welchem Land er kommt.

Caspar S: Wieviel hat ein Staatssekretär für Integration in Sachen Einwanderungspolitik wirklich zu sagen?

Sebastian Kurz: Integration ist nicht Einwanderungspolitik, man muss die Themen Integration, Asyl und Zuwanderung trennen. Bei meinem Thema, dem Thema Integration, geht es um ein positives Zusammenleben der ca. 1,5 Mio. Menschen in Österreich, die Migrationshintergrund haben, mit der Mehrheitsbevölkerung. Ich bin also zuständig sobald jemand legal in Österreich ist und mittel- bis langfristig hier bleiben möchte.

Walter KURTZ: Haben Sie schon Ihre Stimme bei der ÖH Wahl abgegeben?

Sebastian Kurz: Mein Studium ist derzeit ruhend gestellt. Ich werde daher diesmal nicht an der ÖH-Wahl teilnehmen können, ich wüsste aber wen ich wählen würde.

flix the flax: Sie haben 2008 Werner Faymann für die verfehlte Wohnungspolitik kritisiert. http://meinparlament.derstandard.at/frage/1103/ Werden Sie in diesem Bereich konkrete Änderungen vornehmen und wenn ja welche?

Sebastian Kurz: Stadtplanung und Wohnungspolitik ist nicht nur ein wichtiger Bereich, sondern auch einer der für das Thema Integration sehr entscheidend ist. Es gibt hier einige gute Konzepte in österreichischen Städten, die wir definitiv als Anregung und Vorschlag für die jeweiligen Verantwortungsträger heranziehen werden.

garrthes: Werden Sie zukünftig auf Mitarbeit bzw. Ratschläge von div. NGOs, die sich mit Integrationsfragen beschäftigen, setzen?

Sebastian Kurz: Ich bin täglich in Kontakt mit NGOs, die im Integrationsbereich tätig sind. Sie sind neben den Mitgliedern im Expertenrat die wichtigsten Ansprechpartner.

Unpolitisch: Man hat zunehmend den Eindruck, dass die ÖVP eine Partei der Millionäre und Industriellen ist. Warum soll man als "Durchschnittsverdiener" die ÖVP wählen? Steuerreformen wurden in der Vergangenheit meistens verhindert und Steuern gerade den Familien

Sebastian Kurz: Die ÖVP ist eine Volkspartei und eine Partei die sich zum Mittelstand und zum Thema Leistung bekennt. Michael Spindelegger hat erst vergangenen Freitag wieder beim Bundesparteitag ein klares Bekenntnis zum Mittelstand abgelegt der Österreich trägt und auch die Familienpolitik in den Vordergrund gerückt.

Irre Gut: Wie schaetzen Sie die Aussagen von Andreas Treichl betreffend die oesterreichische Politiklandschaft ein? Glauben Sie in diesem Zusammenhang dass sich das Qualifikationsprofil eines erfolgreichen Politikers in den naechsten Jahren aendern muss (Stic

Sebastian Kurz: Ich nehme die Aussagen von Treichl sehr ernst, weil ich glaube dass es nicht sinnvoll ist wenn sich in Österreich Politik und Wirtschaft auseinander bewegen und gegenseitig medial Ratschläge austeilen. Ich glaube aber auch, dass man niemals Gruppen pauschal verurteilen sollte, so wie es nicht DIE Banker gibt, gibt es auch nicht DIE Politiker. Ich glaube dass ein erfolgreicher Politiker neben Fachkenntnissen vorallem aber auch das politische Handwerk kennen und verstehen sollte. Das politische System und die Möglichkeiten nicht von innen zu kennen, macht aktive Politik nur sehr schwer möglich.

UrbanFarmer: was halten sie von muttersprachenunterricht an unseren volksschulen oder sogar schon im kindergarten? es gibt studien die besagen, dass kinder mit migrationshintergrund, die nicht einmal die eigene muttersprache richtig beherrschen, sich sehr schwer

Sebastian Kurz: Ich glaube dass Mehrsprachigkeit ein klarer Wettbewerbsvorteil ist. Neben guten Deutschkenntnissen die Muttersprache bzw. die Muttersprache der Eltern zusätzlich zu fördern, kann da auf jeden Fall sinnvoll sein. Es gibt dieses Angebot schon als Freifach an vielen Schulstandorten. Das ist sinnvoll, ersetzt aber keinesfalls die Notwendigkeit guter Deutschkenntnisse.

Johannes Radinger: Kann man Integration messen und wenn ja, was ist Ihrer Meinung das richtige Instrument?

Sebastian Kurz: Es gibt die Möglichkeit durch Integrationsindikatoren einen Überblick zu bekommen, wie es in den unterschiedlichsten Bereichen aussieht. Diese Indikatoren zusammen machen wenn man so will Integration in Zahlen messbar.

pippilotta schokominza: Wieviele MitarbeiterInnen beschäftigen Sie in ihrem Staatssekretariat und wieviele davon haben Migrationshintergrund

Sebastian Kurz: Im Innenministerium und im Integrationsfonds gemeinsam gibt es ca. 120 Mitarbeiter. Ich habe noch nicht jeden persönlich kennengelernt und kann ihnen daher keine genaue Zahl sagen, aber um ein Beispiel in meinem direkten Umfeld zu nennen: mein Büroleiter hat für ca. 10 Jahre in der Türkei gelebt.

Klaus Schwertner: finden Sie es persönlich eine gute idee, dass ihre agenden im innenministerium angesiedelt. wo sehen sie hier den sinn dahinter?

Sebastian Kurz: Im Innenministerium gibt es mit der Integrationsabteilung, dem unabhängigen Expertenrat und dem Integrationsfonds die Infrastruktur und die Möglichkeiten die man für die Arbeit als Integrationsstaatssekretär braucht. Ich bin mir bewusst, dass Sie das Innenministerium vorallem als Polizeiministerium sehen, möchte aber auch darauf hinweisen, dass im Innenministerium zum Beispiel auch die Gedenkstätten oder der Zivildienst geregelt und verwaltet sind. Ich habe noch nicht bemerkt, dass das zum Beispiel für Zivildiener schädlich war oder das Thema Zivildienst in ein anderes Licht gerückt hat. Es gibt eine klare Aufgabentrennung zwischen der Innenministerin und mir, das halte ich für wesentlich und nicht die Frage in welchem Gebäude mein Büro ist.

Ein Mann: Was sagen Sie zu einem Schächtverbot für Tiere - wie lässt sich derartige Tierquälerei mit unseren Werten vereinen

Sebastian Kurz: Es gibt da klare gesetzliche Regelungen, die mit den Tierschutzorganisationen auch besprochen sind. Das ist jedoch alles andere als in meinem Kompetenzbereich.

Duende Cabreras: Ich wohne in Wien-Brigittenau, wo es immer wieder Konflikte im Leben "miteinander" gibt: welche konkreten Maßnahmen würden sie ansetzen um Menschen verschiedener Herkunft zusammenzubringen und "alteingessenen" BrigittenauerInnen, die Angst vor Kopft

Sebastian Kurz: Meine Erfahrung ist, dass Ängste genommen werden und Kommunikation funktioniert sobald Deutschkenntnisse vorhanden sind. Ich selbst wohne in Meidling und habe dort neben den Negativbeispielen vorallem auch erlebt, wie die Herkunft schlagartig kein Thema mehr ist, sobald Deutschkenntnisse da sind und ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilgenommen wird.

Vorbereiter: Was verstehen Sie unter miteinander leben, anhand eines Beispiels im Alltagsleben.

Sebastian Kurz: Ich habe in meiner Schulzeit, Studienzeit und im Job immer ein total durchmischtes Umfeld gehabt. Es waren Katholiken, Muslime und Atheisten dabei und es waren Menschen mit unterschiedlicher Herkunft dabei. Wenn man sich gegenseitig mit Respekt behandelt, gemeinsame Ziele oder Herausforderungen hat, dann funktioniert ein Miteinander.

Jetzt!: wird in der derzeitigen debatte nicht zu sehr der augenmerk auf religion gelegt und immer von "den muslimen" gesprochen? österreicher sehen sich doch auch kaum vordergründig als katholiken etc., ein mensch ist nicht nur religiös, sondern wie alle au

Sebastian Kurz: Ich habe von Anfang an immer betont, dass Integration wesentlich mehr ist als nur die Auseinandersetzung mit dem Islamthema. Natürlich gibt es aber auch Zahlen die uns zeigen, dass die Herausforderungen in Österreich im Integrationsbereich bei manchen Herkunftsländern oder Religionsgruppen im Durchschnitt größer sind. Das sollte aber nicht Anlass für Verallgemeinerung und Hetze sein, sondern vielmehr um gezielt auf diese Gruppen zuzugehen.

Schwedenbombe: Was ist Ihre Meinung zu einer Parteineugründung, sehen Sie dafür Bedarf bzw. Nachfrage in der politischen Landschaft?

Sebastian Kurz: Ob dafür Bedarf besteht oder nicht, entscheidet niemals der Politiker, sondern immer nur der Wähler. Ich glaube vielmehr, dass unsere politischen Landschaft eine Versachlichung gut täte.

Luke-Skywalker: Herr Kurz, Sie haben beim Voting Tageszeitung "Heute" zum schönstens Politiker Österreichs den 3. Platz erreicht. Was sagen Sie dazu

Sebastian Kurz: Ich gratuliere Werner Faymann zum ersten Platz :)

ModeratorIn: Wir danken Sebastian Kurz fürs Chatten. Danke auch, liebe User, für Ihre Fragen.

Sebastian Kurz: Herzlichen Dank für die Fragen.