Kleine, gerissene Wortfragmente bedecken die Figur Jiri Kolárs: Die Erkenntnisse erschließen sich nicht über das Lesen.

Foto: Galerie Krobath

Wien - "Als ich anfing, den Vers zu zerschlagen, musste ich mir Material über die Entstehung der Schrift als solcher verschaffen" , sagte der tschechische Künstler Jirí Kolár (1914-2002) einmal in einem Interview.

Ein Zitat, das zu den in der Galerie Krobath präsentierten Arbeiten nicht besser passen könnte: zu Kolárs mit Kompositionen aus arabischen, chinesischen oder hebräischen Schriftzeichen übersäten mosaischen Gesetzestafeln oder dem Object Poem, das er in "Worten" aus Nippes, kleinem Dekor und Alltäglichem wie Sicherheitsnadeln "geschrieben" hat. Alles ist nahe der Hieroglyphen oder dem Bildrätsel, fordert den Besucher zum Dechiffrieren heraus, lässt ihn aber scheitern und vielmehr die Poesie der Arbeiten erkennen.

Dem Grenzgänger zwischen Literatur und Kunst und den Arbeiten und seiner Frau Bela Kolárová ist die Schau im Rahmen des heurigen Curated-by-Themas East by South West gewidmet. Kuratorin Márie Klimešová widmet sich mit bisher nie gezeigten Werken aus dem Nachlass zwei historischeren Repräsentanten osteuropäischer Kunst. Kolár war, nicht zuletzt durch die Documenta-Teilnahme 1968, schon früh im sogenannten "Westen" bekannt.

Kolár war mutiger und politisch. Viele seiner Texte erschienen daher im Selbstverlag. Er war einer der wenigen Künstler, der die Charta 77, die Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei, unterschrieb. Mit Folgen:Während eines Studienaufenthalts in Berlin enteignete man ihn, verbot die Rückkehr. Exil fand er in Paris.

In seinen rhythmischen Collagen und den oft wie Alphabete gestalteten Assemblagen aus Nägeln und Büromaterial Kolárovás ist neben der dem Material innewohnenden, konkreten Poesie stets auch der sinnliche Umgang, die Lust am Handwerklichen anzumerken. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 19. Mai 2011)