"Made in Austria" - dieses Label tragen heute nicht mehr allzuviele Produkte. Zu teuer ist den meisten Betrieben die Produktion im Hochlohnland Österreich. Brillenhersteller Silhouette - im Bild die Zentrale in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz - ging hingegen andere Wege.

Foto: Silhouette

Nicht, dass man nicht darüber nachgedacht habe, wegzugehen sagt Firmenschef Klaus Schmied (im Bild links mit Arnold Schmied) bei einem Besuch von derStandard.at in Linz und erwähnt die Mitarbeiter, für die man Verantwortung trage. Brillen sorgen in Linz immerhin für 800 Arbeitsplätze. Wie sieht es aus mit Wachstum? Das steht schon auf der Agenda, sagt der Firmenchef, die Größten müsse man nicht werden, lieber sei man der Beste.

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Es bringt nichts, wenn nicht alle, die an einem Produkt arbeiten, an einem Ort zusammensitzen, ist man in der Firma einhellig überzeugt. Das wird nichts, wenn einer in Österreich eine Idee hat und sie einem erklären soll, der in Korea oder China sitzt. "Billig produzieren können andere besser", sagt Österreich-Verkaufschef Johann Pürmayr.

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Schmied stellt mit seinem Bruder Arnold in zweiter Generation Brillen für den Weltmarkt her. Gegründet wurde die Firma 1964 von den Eltern am heutigen Standort. Knapp drei Millionen Stück verlassen mittlerweile jährlich das Werk, ein Teil davon unter der Marke Adidas.

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Während ein Auto heute durch den hohen Grad an Automatisierung in zwei Tagen zusammengebaut ist, ist so eine Brille bis zu ihrer Fertigstellung einige Wochen am Firmengelände unterwegs.

Im Bild: Ein Mitarbeiter bei der Bügelproduktion

Foto: Bruckner

Gut 260 Arbeitsgänge stecken in einer Brille - was zu personalintensiv ist, wandert zur verlängerten Werkbank, der tschechischen Tochter, mit 200 Arbeitsplätzen. Zwölf Wochen dauert der Produktionsprozess vom Rohmaterial (im Bild das Lager) bis zum Endprodukt.

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Bügel und Stege werden geschnitten, gepresst, geformt, gebogen, lackiert, gefärbt, gebürstet, poliert und montiert. Fotografiert werden darf in den Produktionshallen nur ganz eingeschränkt, denn die Produktionsprozesse und -maschinen sind praktisch ein Teil des hauseigenen Erfolgsrezeptes.

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Hier im Haus sitzen die Designer den Produzenten gewissermaßen am Schoß. Das bedeutet, sie wissen recht bald, was machbar ist und was eine schöne Idee auf Papier bleiben wird. Gerhard Fuchs - der Mann, der die berühmte Titan-Brille "erfand" - kommt aus dem Werkzeugbau, was die "Erfinderei" recht effizient macht.

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Sein Talent fürs Zeichnen im Allgemeinen und fürs Brillenentwerfen im Besonderen wurde eher per Zufall entdeckt. Die zu Papier gebrachten Modelle gefielen der damaligen Chefdesignerin Dora Demmel und der Geschäftsführung so gut, dass man ihm einen Job als Designer vorschlug.

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Das mehrköpfige Designteam holt sich seine Ideen überall - nur nicht bei der Konkurrenz. Martin Preuer-Lackner kommt aus der Goldschmiederei. Seine Ideen zum Thema Brille haben mit Schiffen, Bäumen, Industrie und Architektur zu tun. Von 100 Stücken, die er sich ausdenkt, schaffen es 20 zum Prototyp, eines wird dann tatsächlich gebaut. So eine Brille muss weltweit funktionieren - von Japan über Schweden bis Russland und Australien.

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Derzeit arbeitet Martin Preuer-Lackner schon an der Sonnenbrillenkollektion für 2013. Rund 80 Prozent Handarbeit sind für die Produkte notwendig. Erledigt wird sie überwiegend von weiblichem Personal.

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Die lange Vorlaufzeit hat auch damit zu tun, dass man vielfach die Werkzeuge und Maschinen, die für die Brillenproduktion vonnöten sind, selbst herstellt. Deswegen werden im Haus auch Werkzeugmacherlehrlinge ausgebildet.

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Alle vier Jahre leistet sich der Österreicher eine Brille. Als Schmuckstück mag er sie im Gegensatz zur Sonnenbrille noch nicht so recht sehen, sagt Marketing-Mann Florian Wurm. 

Im Bild: In diesen Gefäßen werden Kunststoffrahmen poliert.

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Eine Brille ist heute ein Hightechprodukt. Hinter einer Sonnenbrille etwa steckt ein gutes Stück Technologieentwicklung. Das Forschungs- und Entwicklungsteam der Linzer hat sich zum Beispiel in den vergangenen Jahren mit dem Phänomen, dass sich Sonnenlicht millionenfach an den Wasser-Wellen bricht und somit mehr als an Land blendet, auseinandergesetzt. Was dabei herauskam ist eine patentierte Serie mit polarisierenden Gläsern.

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Mit der "Titan Minimal Art" landete der oberösterreichische Brillenhersteller 1999 überhaupt einen weltweiten Verkaufsschlager, an dessen Entstehungsgeschichte man sich auch heute noch gerne erinnert. Aufgelegt war die Erfolgsstory nämlich bei weitem nicht, erzählt Forschungs- und Entwicklungschef Rupert Spindelbalker. Die puristische Brillenkonstruktion gemahnte den Seniorchef doch sehr an ein "Drahtgestell."

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Der Durchbruch in der Erfindung einer scharnierlosen Brille gelang erst nach Fehlversuchen und langer Entwicklungszeit mit dem Einsatz einer hochelastischen Titanlegierung. Erst diese erlaubte das Weglassen des bis dato als unverzichtbar geltenden Scharniers, außerdem konnte damit auch der Übergang vom Glas zum Bügel elegant und ohne Schrauben gelöst werden.

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Wer mit den Linzern plaudert - ob Marketingmann, Chef oder Produktionsmitarbeitern - erlebt dann zuweilen eine Überraschung. Nicht das Design ist hier Hauptthema, sondern die Frage nach dem Tragekomfort. Seit der Erfindung der randlosen Brille hat man offenbar die Devise des Schweizer Soziologen Lucius Burckhardt "Design ist unsichtbar" verinnerlicht.

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Und den können die Brillen - so schwören alle im Haus - bieten, sind sie doch durch die spezielle Titanlegierung (der Rohstoff kommt aus Japan) federleicht und hinterlassen auch auf ausgeprägten Nasen keine Druckstellen, außerdem üben die elastischen Bügel immer den gleichen Druck auf den Kopf aus. Und sie sitzen nicht wie andere Brillen manchmal fester und manchmal lockerer.

Im Bild: Qualitätskontrolle

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Auf das Material Titan, das die ohne Gläser nur 1,8 Gramm leichte Brille erst möglich gemacht hat, will man in Linz weiterhin setzen. Auf die Randlosigkeit sowieso. Experimentiert wird aber auch mit Carbon, dem Material, aus dem heute Fahrräder und Flugzeugteile fabriziert werden. "Da fehlt derzeit aber ganz eindeutig noch der Tragekomfort", sagt Forschungschef Spindelbalker.

Im Bild: Das Modell Dreamwings aus der heurigen Sonnenbrillenkollektion

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Brand Manager Andreas Aschauer Martinelli ist ohnedies davon überzeugt, dass "die Randlose die Brille der Zukunft ist, mit ihr bleibt das Gesicht authentisch". Der Mann werkte unter anderem bei Wolford, Versace und Ferré, ehe er im Linzer Stadtteil Neue Heimat landete. "Du sollst Dich nicht hinter Deiner Brille verstecken", lautet die eine Regel, die andere: "Unsere Kunden sind so selbstbewusst, dass sie Labels eher nicht in den Vordergrund stellen."

Im Bild: Das Modell Mystero

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Von der Titan-Brille gibt es mittlerweile eine ganze Kollektion mit unterschiedlichen Bügel-, Farb- und Glasvarianten, als optische und als Sonnenbrille. Sie wurde wie die anderen Modelle auch in 100 Länder der Welt verschickt, mit Designpreisen überhäuft und zählt zu den gerne nachgemachten Brillen. Nicht selten bekommt man im Linzer Unternehmen eine "Titan"-Kopie zur Reparatur.

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Ein bisschen stolz ist man natürlich auch auf die Tatsache, dass die hauseigenen Brillen es ins All geschafft haben. Das Familienunternehmen stattet nämlich die NASA mit Titanbrillen aus. Im Schnitt braucht jeder Astronaut bei einem Flug fünf Korrektions- und Sonnenbrillen. Bei einem NASA-Flug sind also 40 bis 50 Silhouette-Brillen unterwegs.

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Wieso es die Linzer mit ihren Brillen in den Weltraum schafften ist leicht erklärt: Erstens dürfen da keine Schrauben und Kleinteile vorkommen, die sich lösen könnten, und zweitens dürfen die Brillen unter dem Helm nicht rutschen.  Zur Brille "made in Linz" greifen aber auch die Wiener Philharmoniker, der Serienheld David Caruso von CSI Miami und Tom Cruise - im übrigen ganz ohne Werbegage.

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In den 70er- und 80er-Jahren haben sich die Linzer einen soliden Ruf als Erzeuger eher eleganter Brillen erworben. In den 90ern kam soviel Solidität nicht mehr ganz so gut an. Was folgte, war eine Durststrecke.

Im Bild: Futura 570 aus dem Jahre 1974

Foto: Silhouette

Vom extremen Modediktat hat man sich Ende der 90er verabschiedet. Man überlege sich lieber Produkte, von denen man annimmt, dass sie sich verkaufen wie die sprichtwörtlichen warmen Semmerln.

Im Bild: Ein Modell aus dem Jahr 1978

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Damals wurden die Kollektionen reduziert, um 50 Prozent weniger Modelle gemacht, die Anzahl von Optikern, die man belieferte, halbiert und dann auch noch die Preise angehoben. 

Im Bild: Ein Modell aus dem Jahre 1967

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Was einst vielfach belächelt wurde, zaubert heute Firmenchef Schmied ein Schmunzeln aufs Gesicht. Die Krise hat man ohne Einbruch überstanden. Der Umsatz lag im Vorjahr bei 170 Millionen Euro und von Banken hat man sich nie abhängig gemacht. Gute Aussichten also. (Regina Bruckner, derStandard.at, 26.5.2011)

Im Bild: Noch einmal Futura aus dem Jahr 1974

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