Der Lehrerberuf genießt in Taiwan oder Russland hohes Ansehen, in den USA oder in Österreich ist das nicht der Fall.

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Derzeit handeln Lehrer in pädagogischen Fragen des schulischen Alltags vor allem aus dem Bauch heraus. "Intuition kann durch Zufall okay sein", aber eben auch nicht, sagt die Bildungspsychologin Christiane Spiel und fordert, dass in österreichischen Schulen künftig die Gesetzmäßigkeiten der Pädagogik mehr Beachtung finden. "So wie das bei Experimenten in Physik und Chemie längst der Fall ist." Aus diesem Grund müsste aber auch die Ausbildung der Lehrer professionalisiert werden. Während eines bis Dienstag laufenden, zweitägigen Workshops der Arge Bildung und Ausbildung der Forschungsgemeinschaft (ÖFG) wurden nun Modelle für forschungsbasierte Lehrerbildung diskutiert, um sie danach als Positionspapier zu veröffentlichen.

Orientierungsloser Flug 

Von welchem Punkt dabei in Österreich gestartet wird, ist allerdings ungewiss, wie Konrad Krainer vom Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung der Uni Klagenfurt sagte. In Deutschland wisse man wenigstens aus der Teacher Education and Development Study (TEDS) der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA), dass die Lehrerausbildung nur Mittelmaß ist. "Bei uns ist es schlimmer als in Deutschland: Wir wissen es nicht. Es ist ein orientierungsloser Flug durch eine sehr herausfordernde Umgebung", kritisiert er.

Darin, dass eine Reform nötig ist, zeigten sich die Workshopteilnehmer einig. TEDS habe gezeigt, dass die Strukturen zentral für eine qualitätsvolle Lehrerausbildung sind, wie die Erziehungswissenschafterin Sigrid Blömeke von der Humboldt-Universität Berlin ausführte. Herausragende Länder wie Taiwan oder Russland zeichnen sich demnach durch eine hohe fachliche Spezialisierung, Forschungsstärke der Ausbildungseinrichtungen, hohe Selektion vor der Ausbildung und strenge Vorgaben beim Studienplan aus. Es werde "aggressiv" um die besten jedes Jahrgangs geworben, im Gegenzug bekommen Lehrer hohe gesellschaftliche Anerkennung und Karrieremöglichkeiten. Keine Rede vom hierzulande oft diskutierten schlechten Image, als "gescheiterter" Wissenschafter eine schulische Laufbahn einzuschlagen.

Schwach abgeschnitten haben hingegen Länder wie Norwegen oder die USA: Dort kann jeder Lehrer werden, bis zum Ende der Sekundarstufe I (entspricht AHS-Unterstufe, Hauptschule) gibt es keine Fach-, sondern Klassenlehrer, die Lehrerausbildungseinrichtungen haben hohe Autonomie und weder Curricula noch die Ergebnisse der Ausbildung werden evaluiert. Die Folge: relativ geringes Einkommen und gesellschaftliches Ansehen.

Dass eine rasche Verbesserung des Systems der Lehrerausbildung möglich ist, haben laut Blömeke etwa Norwegen oder Russland gezeigt: Norwegen habe nach dem "TEDS-Schock" innerhalb von eineinhalb Jahren sein System völlig umgestellt und damit Bildung in dem lange auf Öl und Fischerei fixierten Land höheren Stellenwert gegeben. Russland habe es mit seiner schon vor TEDS erfolgten Umstellung der Lehrerausbildung auf Universitätsniveau ebenfalls an die Spitze geschafft.

Langer Prozess

In Finnland dauerte die Umstellung des Systems laut Hennele Niemi von der Universität Helsinki 35 Jahre, inklusive vieler Konflikte zwischen den rein fachorientierten Unis und den ähnlich den pädagogischen Akademien praktisch orientierten "Seminaren". Mit dem Ergebnis seien dann beide Seiten zufrieden gewesen.

Für Österreich hoffen die Wissenschafter auf einen rascheren Systemwechsel, doch der hängt laut Spiel von Faktoren wie Bildungspolitik und Gewerkschaft ab. "Bei günstigen Bedingungen geht es schnell", zeigte sich Krainer dennoch optimistisch. Wichtige Voraussetzung sei jedenfalls, Lehrer als "Hochleistungsberuf" zu positionieren, forderte der Pädagoge Georg Hans Neuweg von der Universität Linz. "Man muss deutlich die Botschaft absetzen: Nicht jeder darf Lehrer werden."

Bildungsministerin Claudia Schmied meinte, immer mehr Anforderungen werden an die Schule herangetragen. Man müsse vor diesem Hintergrund die Identität und Persönlichkeit der Lehrenden stärken. Die Ministerin plädierte für eine Sicherung der Qualität in der Lehrerausbildung und auch dafür, Lehrenden Fachkarrieren anzubieten. Außerdem müssten die Schulen in der Schulentwicklung gut begleitet werden. So gelte es, "Erkenntnisse der Forschung in die Klassenzimmer zu bringen", sagte Schmied.

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle erinnerte an einen Punkt im Regierungsprogramm: Pädagogischen Hochschulen sollen demnach weiterentwickeln und gestärkt werden, "um auf Augenhöhe mit den Universitäten zu kooperieren, die ihrerseits in der Fachdidaktik zulegen müssen". (APA, pi/DER STANDARD, Printausgabe, 18.05.2011)