Bild nicht mehr verfügbar.

Dominique Strauss-Kahn im New Yorker Gericht: Am Montag erschien der Franzose vor dem Haftrichter. Er will laut seinem Anwalt auf "nicht schuldig" plädieren.

Foto: dapd/Julio Cortez
Grafik: Standard

Nach der Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung ist ein Machtkampf um seine Nachfolge als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) entbrannt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach sich am Montag wegen der Spannungen in der Eurozone für einen Europäer aus, sollte ein Führungswechsel notwendig werden. Dabei hatten zuletzt wiederholt Politiker und Zentralbanker aus Schwellenländern wie Brasilien und Mexiko darauf gedrängt, von der üblichen Regelung abzurücken, wonach stets ein Europäer an der IWF-Spitze steht.

***

Der Machtkampf um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn als IWF-Chef ist eröffnet. Angela Merkel beansprucht den Posten prompt für Europa: Es gebe in der "jetzigen Phase gute Gründe, dass Europa auch gute Kandidaten zur Verfügung hat". Als mögliche Kandidatin gilt die französische Finanzministerin Christine Lagarde, die freilich selbst ins Visier der Justiz geraten ist. Auch der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wurde in Medien als möglicher Kandidat genannt.

Allerdings dürfte die traditionelle Aufteilung, wonach Europa den IWF-Chef stellt und die USA die Führung der Weltbank innehaben, wanken. Strauss-Kahn selbst war es, der dieses ungeschriebene Gesetz in Frage stellte und bereits den nächsten IWF- und Weltbank-Chef aus den Schwellenländern erwartete. Die Verschiebung des politischen und ökonomischen Machtgefüges hat bereits zu einer Aufwertung der "Emerging Markets" geführt, die künftig mindestens sechs Prozent mehr Stimmen im Fonds erhalten sollen. Größter Gewinner ist dabei China, das hinter den USA und Japan zum drittgrößten Anteilseigner der Institution aufsteigen wird. Die Europäer wären zusammen zwar der stärkste Block im IWF, sie sind aber über die komplizierte Aktionärsstruktur in verschiedene Stimmrechtsgruppen zersplittert und haben bisher wenig Einigkeit gezeigt. Zudem wird der Einfluss Europas durch die auf Ebene der G-20 abgesegnete Reduktion der Direktoren sinken.

Kandidaten aus den Reihen der Schwellenländer wurden schon einige ins Spiel gebracht, die Frage ist aber nicht zuletzt, ob es unter diesen Staaten eine einheitliche Linie im sich abzeichnenden Führungspoker geben wird. Genannt wird beispielsweise der mexikanische Generaldirektor der Industriestaatenorganisation OECD, Ángel Gurria. Auch der Vizechef der indischen Planungskommission und frühere Leiter einer IWF-Evaluierungskommission, Montek Singh Ahluwalia, gilt als heißer Anwärter. Weitere, von Medien oder Ökonomen genannte Personen: Kermal Dervi, ehemaliger Wirtschaftsminister der Türkei und danach Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP; Trevor Manuel, langjähriger Finanzminister Südafrikas und nun Leiter der Planungskommission.

Dass Europa den Posten nicht so leicht aus der Hand geben dürfte, hängt auch mit der Verschiebung des Aufgabenbereichs des IWF zusammen. Hatte er früher in Entwicklungs- und Schwellenländern alle Hände voll zu tun, sind heute Eurozone und Osteuropa seine größten Abnehmer. Aus diesem Grund glaubt Wifo-Experte Franz Hahn nicht, dass Europa den Posten aus der Hand geben werde. Dafür sei der IWF zu bedeutend geworden. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.5.2011)