Ein Sammelsurium aus Geschenken, Kunstwerken und diversen Möbelprototypen: Margherita Spiluttini in ihrer Wohnung in der Schönlaterngasse.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Die Wiener Fotografin Margherita Spiluttini lebt in einem verwinkelten Biedermeier-Dachgeschoß, das 1983 umgebaut wurde. Wojciech Czaja musste den Kopf einziehen.

"Das ist ein typisches, total verwinkeltes Biedermeierhaus, 1768 erbaut und 1856 umgebaut. Nach dem Krieg waren die Häuser in der Schönlaterngasse ziemlich verfallen, aber die Stadt Wien hat das gesamte Grätzel Anfang der Siebzigerjahre revitalisieren lassen. Ich habe die Wohnung mit meinem damaligen Mann Adolf Krischanitz 1983 übernommen.

Früher war das ein Architekturbüro mit einer notdürftigen Heizung und einem Klo. Für Wohnzwecke war das zu wenig. Wir haben dann Wände eingezogen, und hofseitig haben wir ins Dach eine ganz kleine Terrasse eingeschnitten. Für die Handwerker war das eine Katastrophe, weil es hier keinen einzigen rechten Winkel gibt.

Wo es ging, haben wir damals auch die Wärmedämmung ausgebessert. Mit der Zeit – und das hat mich selbst überrascht – rutscht die Mineralwolle nämlich nach unten. Das hat zur Folge, dass das Dach im Bodenbereich super gedämmt ist, während die Dachkonstruktion oben komplett hohl ist. Im Winter ist es kalt, im Sommer ist es heiß. Und manchmal pfeift der Wind durch das Dach. Dann gibt es in der Wohnung ein eisiges Lüfterl. Energieschonendes Wohnen schaut anders aus.

Die Farbgestaltung hier oben stammt vom Wiener Künstler Oskar Putz. Er hat die Holzbalken dunkelblau gestrichen, die Wandflächen sind hellblau, eierschalenfarben und weiß. Unglaublich, das ist so richtig Achtzigerjahre! Ich mag es, wenn man einer Sache den zeitlichen Stempel so ansieht. Auch die Möbel sind bunt. Das meiste ist ein Sammelsurium. Die Couch ist von Anna-Lülja Praun, das Bücherregal ist ein Entwurf von Michael Loudon, und die zwei Bugholzstühle sind von Josef Frank. Na ja, da liegen meistens die Katzen drauf.

Wissen Sie, wenn man lange genug an einem Ort lebt, sammelt sich aus verschiedenen Lebensstationen so einiges an. Die Wohnung ist wie ein Dokument der Zeit. So etwas lässt sich nicht planen – das entsteht. Am Anfang war die Wohnung ganz schlicht, heute quillt sie über mit Kunstwerken und kleinen Sachen. Oben im Gebälk zum Beispiel hängt das Geweih eines Wolpertingers. Früher war da noch ein Hasenkopf dran, aber den haben die Motten aufgefressen. Schade, der Gag ist weg.

1995 wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert. Am Anfang konnte ich noch gehen, mit der Zeit wurde das aber immer schwieriger. Mein Lebensgefährte Gunther Wawrik, Architekt natürlich, hat dann einige der Möbel für mich adaptiert. Bei der Stahlrohrliege im Wohnzimmer hat er die Beine mit einem Staubsaugerrohr verlängert. Die Lösung ist gut. Nur waren die Proportionen früher etwas eleganter, heute schaut die Liege skurril aus. Als meine Erkrankung 2006 so fortgeschritten war, dass ich nicht mehr gehen konnte, mussten wir umbauen: Teppiche raus, Badewanne raus, stattdessen eine barrierefreie Dusche zum Reinfahren, Türen verbreitert, eine Rampe zum Rausfahren auf die Terrasse und Liftverlängerung ins Dachgeschoß.

Wir haben zwar viel verändern müssen, aber gleichzeitig schaut die Wohnung genauso aus wie früher. Das einzige wirkliche Handicap, das ich habe: Ich komme an die Bücher im Regal nicht mehr heran. Doch zum Glück habe ich viele helfende Hände, unter anderem zwei Pflegerinnen aus der Slowakei: Mirka Mihalcinova und Eva Klimova.

Ich lebe wahnsinnig gerne hier. Das ist eine ruhige Insel mitten in der Innenstadt. Nur am Abend ist es manchmal laut, aber das ist der Lärm des Nachtlebens, und das ist ein süßer Lärm. Überall rundherum würde ich den Biedermeier nicht aushalten, aber hier, auf 120 Quadratmetern, ist er wunderbar. Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, dann gehe ich raus in die Normalität." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.5.2011)