Einen Schagabtausch zum Insolvenzrecht lieferten sich (v. li.) Hans-Georg Kantner (KSV), Wolfgang Höller (Schönherr), Bettina Selden (Prisma Kreditversicherung), Moderator Eric Frey (der Standard), Franz Mohr (Justizministerium) und Christian Grininger (RLB OÖ).

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Linz - Sanieren statt liquidieren war das erklärte Ziel der Insolvenzrechtsnovelle (IRÄG 2010), seit 1. Juli 2010 in Kraft. Konkurs und Ausgleich wurden zur Insolvenz verschmolzen, neue Bezeichnungen wie das "Sanierungsverfahren" sollen das Stigma des Konkurses in den Köpfen senken. Geblieben ist der Zwangsausgleich, heißt aber nun Sanierungsplan ohne Eigenverwaltung.

Knapp ein Jahr nach Einführung zog der Standard gemeinsam mit der Prisma Kreditversicherung bei einer Standpunkte-Diskussion im Linzer Kunstmuseum Lentos Bilanz. In hochkarätiger Runde wurde über die Vor- und Nachteile des Gesetzes diskutiert und einer Frage nachgegangen: Zahlen die Gläubiger nach der IRÄG 2010 drauf?

Prisma-Vorstand Bettina Selden, deren Unternehmen Lieferanten das Insolvenzrisiko versichert, sieht die Gesetzesnovelle recht kritisch: "Grundsätzlich zahlen Gläubiger bei einer Insolvenz immer drauf. 30 Prozent Quote sind ein Best-Case-Szenario. Und diese Situation hat sich auch mit dem neuen Gesetz nicht geändert. Es wird deutlich mehr auf den Schuldner geschaut und empfindlich weniger auf den Gläubiger. Dabei hat der seine Leistungen ja erbracht und kommt meist unschuldig zum Handkuss."

"Scheu abbauen"

Ganz anders urteilt Franz Mohr, Jurist im Justizministerium und einer der Väter des neuen Insolvenzrechts. Das Hauptproblem bei Insolvenzgefahr sei stets, dass Unternehmer so lange warten, bis wirklich Feuer am Dach sei. Ziel der Novelle sei es gewesen, "die Scheu vor einem Insolvenzverfahren abzubauen und letztlich die Quote für die Gläubiger zu erhöhen. Und es ist gelungen, ein Schutzschild für Unternehmer zu schaffen - eine Art Ruhephase in schwierigen Zeiten. Daher kann man nach fast einem Jahr sagen: Ja, die Rechnung ist aufgegangen. Die Unternehmen haben weniger Scheu vor einem Sanierungsverfahren. Es funktioniert in der Praxis." Es sei aber jetzt noch zu früh, um beurteilen zu können, ob sich tatsächlich die Quote erhöht.

"Insolvenzen wird es in einem Wirtschaftssystem, das auf Wettbewerb und Konkurrenz baut, immer geben", sagt Hans-Georg Kantner vom Gläubigerschutzverband "Kreditschutzverband von 1870 (KSV)". Dem neuen Gesetz kann Kantner durchaus einiges abgewinnen: "Die Änderungen haben entscheidend dazu beigetragen, dass eine wichtige Botschaft die Unternehmer erreicht: Bei wirtschaftlichen Problemen führt keiner den Firmenchef in Handschellen zum Schafott, sondern es gibt einen Notfallplan." Wichtig sei es, dass Unternehmer rechtzeitig die Notbremse ziehen. Kantner: "Insolvenzen passieren immer zu spät. Doch je früher eine Sanierung passiert, umso mehr Substanz ist noch da. Wir müssen eines vermitteln: Ein Boxenstopp bedeutet nicht das Aus."

Teil eines Insolvenzverfahrens sind immer die Banken. Und dort ist man mit der Novelle unzufrieden. "Die Stellung der Banken hat sich nicht gebessert. Es ist uns nicht leichter gemacht worden", widerspricht Christian Grininger, Leiter der Rechtsabteilung der RLB Oberösterreich, anderslautenden Stellungnahmen.

Schärfer noch die Kritik von Anwalt Wolfgang Höller von der Wiener Kanzlei Schönherr. Er sieht einen "pädagogisch-esoterischen Zugang zu Insolvenzen", der dazu führe, dass gestrandete Unternehmen geschützt, aber die Gläubiger im Regen stehen gelassen werden. Höller fordert vor allem die Möglichkeit, dass Gläubiger im Gegenzug für einen Forderungsverzicht eine Beteiligung am Unternehmen erhalten und dadurch von einer erfolgreichen Sanierung profitieren. Dies hätten auch internationale Gläubiger bei der Insolvenz der Atec von Mirko Kovats erwartet - und sich sehr darüber gewundert, dass ein solcher "Debt-for-Equity-Swap" in Österreich nicht vorgesehen sei.

Für Höller muss auch nicht jeder gestrandete Unternehmer eine zweite Chance bekommen: "Oft ist ein Eigentümerwechsel besser für die Gläubiger." KSV-Mann Kantner hält dagegen, dass es "empirische Studien gibt, die belegen, dass Unternehmer, die einmal gescheitert sind, eine Lektion gelernt haben - und beim zweiten Versuch oft erfolgreicher sind." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2011)