Wie interne Dokumente zeigen, hat Google wesentlich mehr Kontrolle über Android-Geräte als bisher angenommen.

Foto: Andreas Proschofsky

So offen sich Google bei weiten Teilen des Codes von Android gibt - oder zumindest verspricht künftig wieder zu geben - so wenig ist eigentlich über die Dynamik zwischen Google und den Hardwareherstellern bekannt. Ein aktuelles Gerichtsverfahren bringt hier nun als Nebeneffekt erstmals Licht in diese Angelegenheit, und dabei zeigt sich: Die Kontrolle von Google über Android ist nicht nur wesentlich umfassender, sondern auch erheblich aktiver als bisher angenommen.

Dokumente

Dies ergibt sich aus rund 750 Seiten an Dokumenten und internen E-Mails, die im Zusammenhang mit der Klage mit dem auf Ortsdaten spezialisierten Unternehmen Skyhook gegen Google stehen - und durch die sich Nilay Patel von "The Next Web" gegraben hat. Daraus erfährt man dann etwa, dass Google die grundlegende Android-Lizenz immer nur recht kurz an einzelne Hersteller vergibt, so ist die in den Dokumenten erwähnte Lizenz von Samsung mittlerweile bereits ausgelaufen (und recht augenscheinlich verlängert worden), die von Motorola steht Ende 2011 an.

Druckmittel

An der wirklich kurzen Leine hält man die Hersteller aber mit anderen Mitteln: Hauptdruckmittel sind die Closed-Source-Komponenten von Android, allen voran der Android Market, Google Maps und Gmail. Wer diese ausliefern will, muss sich für jedes einzelne Gerät die schriftliche Genehmigung von Google holen. Zudem kann Google sogar festlegen, welche Version der Apps ausgeliefert werden.

Einschränkungen

Weiters müssen sich alle Hersteller verpflichten, keinerlei Anstalten zu machen, die Closed-Source-Bestandteile von Android per Reverse Engineering nachzubauen. Insofern dürfte deren Nicht-Freigabe sehr konkrete strategische Ziele verfolgen, bei öffentlichen Anfragen zu diesem Thema verweist Google ja sonst immer nur darauf, dass diese auch das geistige Eigentum anderer Firmen enthalten, und deswegen nicht freigegeben werden können.

Kompatibilität

Bereits bekannt war, dass alle neuen Android-Devices gewisse Kompatibilitätstests bestehen müssen. Was man allerdings nicht wusste: Google kann sowohl die "Android Compatibility Test Suite" als auch die "Android Compatibility Definition" nach Belieben verändern. Dies zu jedem Zeitpunkt also theoretisch auch noch wenige Tage vor der Veröffentlichung eines Geräts.

Skyhook

Zum konkreten Rechtsstreit gibt es natürlich auch einiges Interessantes: Unumstritten ist, dass Skyhook bei Motorolas Droid X kurz vor und bei Samsungs Galaxy S kurz nach der Auslieferung per Update entfernt wurde. Skyhook wirft Google - neben diversen Patentverstößen - also direkten Druck auf die Hersteller - und damit unlautere Geschäftspraktiken - vor.

Mails

Zu diesem Punkt zeigen die Mails, dass tatsächlich Android-Chef Andy Rubin höchstpersönlich Motorola-CEO Sanjay Jha das "Stoppsignal" für das Droid X in der damaligen Form gegeben hat - und zwar wegen Skyhook. Allerdings verweist Google in den Mail recht durchgängig auf technische Gründe. Nach der Darstellung von Google "verunreinige" Skyhook die Location-Datenbank von Google, da das Unternehmen in seinen Daten keinen Unterschied zwischen Quellen wie WIFI, GPS oder Mobilzellen macht.

Verärgert

Klar ist aber auch, dass Google von Anfang an alles andere als erfreut über den Skyhook-Deal mit Motorola und Samsung war. Immerhin befürchtete man so weitere - für den Erfolg in diesem Bereich - äußerst wichtige Quellen für die eigene Ortsdatenbank zu verlieren. Dies zu einem Zeitpunkt, wo man gerade die WLAN-Datensammlung per Street-View-Autos nach einer öffentlichen Debatte eingestellt hatte.

Einschätzung

Wie der Prozess ausgeht, ist insofern noch vollkommen offen. Google sieht in Skyhook ja einfach eines von vielen Unternehmen, die nicht damit umgehen können, dass sich der Markt rund um sie verändert - und so verzweifelt nach Klagen greifen. Zum Schluss noch eine kleine Randbemerkung: In den Dokumenten kommt kein einziges Mal jene Open Handset Alliance vor, die ja eigentlich offiziell die Android-Entwicklung leitet. Statt dessen läuft alle Kommunikation ausschließlich mit Google. (apo, derStandard.at, 13.02.11)