FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat die Außenpolitik für sich entdeckt: Mit anderen europäischen rechten Parteien bastelt er intensiv an einem EU-weiten Antiausländervolksbegehren.

Foto: Der Standard/Urban

"Ganz offen:Ich würde als Bundeskanzler auch das Innenressort stellen."

 

 

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"Wir brauchen jeden Steuercent. Wir haben nichts zu verschenken."

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Standard: Was gab es so Wichtiges in Italien, dass Sie das Totengedenken der Burschenschaften am 8. Mai versäumt haben?

Strache: Vieles. Es wird internationale politische Tätigkeiten geben, die aber erst vor dem Sommer öffentlich gemacht werden sollen. Eines unserer Projekte ist, dass wir auf Dauer Mitglied einer europäischen Fraktion werden wollen. Thema ist auch der Asylmissbrauch, der vor allem Italien trifft. Von der EU im Stich gelassen zu werden ist eine Entwicklung, bei der man zusammenhalten muss.

Standard: Wieso im Stich gelassen? Sie wollten die Flüchtlinge nicht europaweit aufteilen.

Strache: Das betrifft den Schutz der EU-Außengrenzen. Die EU hätte von Beginn der Krise an reagieren müssen, damit es nicht zu solchen Flüchtlingsströmen kommt. Das sind keine Flüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention. Die Menschen haben etwa in Tunesien einen Diktator gestürzt, die müssten froh sein, dass sie frei sind und sich wirtschaftlich entfalten können.

Standard: Das sind rund 20.000 Flüchtlinge. Sollte Europa diese Anzahl nicht verkraften können?

Strache: Wenn man beginnt, illegale Wanderbewegungen sakrosankt zu erklären, ist das ein Türöffnen. Da kommen Millionen. Hier darf es keine Signale geben.

Standard: Sie planen ein europaweites Volksbegehren. Welches Thema soll behandelt werden: die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei oder der "Asylmissbrauch" ?

Strache: Die Frage ist, mit welchem man beginnen wird und ob man die Themen vermengen kann.

Standard: Wann soll das starten?

Strache: 2012.

Standard: Wollen Sie die Genfer Konvention ändern?

Strache: Ich glaube, man muss sie international neu definieren. Was sind heute die Herausforderungen? Es haben sich die Gegebenheiten geändert. Der Asylbegriff gehört neu definiert. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist veraltet, nicht zeitgemäß.

Standard: Kommende Woche gibt es im Parlament eine dringliche Anfrage bezüglich der Finanzspritzen für überschuldete Länder wie Griechenland. Wie soll mit diesen Ländern umgegangen werden?

Strache: Das hätte man besser früher und professioneller handhaben müssen. Wir haben zu Beginn vor der Einführung des Euro gewarnt. Wenn man unterschiedliche Volkswirtschaften zu einer Währungsunion zusammenpfercht, muss das schiefgehen. Wir haben leider recht behalten.

Standard: Was soll passieren?

Strache: Die schwachen Volkswirtschaften gehören aus der Union entlassen. Dann hätten alle Seiten Vorteile. Jetzt haben der Grieche und der Portugiese keine Vorteile, die sehen keinen Cent von  dem Geld, das dem Österreicher im Sinne einer Massenenteignung weggenommen wird. Steuermilliarden werden nur für Banken und Spekulanten verschwendet.

Standard: Das heißt, diese Staaten soll man ausschließen?

Strache: Was heißt ausschließen? Die wollen ja hinaus. Portugal und Griechenland sind verzweifelt. Wenn wir so weitermachen, folgen vielleicht noch Spanien und Italien. Und am Ende ist Österreich in einer griechischen Entwicklung. Wir brauchen jeden Steuercent für die Probleme in unserem Land. Wir haben nichts zu verschenken. Die starken Volkswirtschaften wie Deutschland, Frankreich oder Österreich müssen eine eigene Währungszone in Europa bilden.

Standard: Eine Market-Umfrage von Anfang Mai zeigt, dass 43 Prozent der Österreicher sich wünschen, dass die FPÖ der nächsten Regierung angehört. Gibt es für den Fall der Fälle schon eine Regierungsmannschaft?

Strache: Mir ist nicht wichtig, dass auf meiner Visitenkarte "Bundeskanzler" oder "Vizekanzler" steht. Es kommt darauf an, dass wir so stark werden, dass wir zur bestimmenden Kraft werden und SPÖ wie ÖVP so abgestraft werden, dass sie endlich beginnen umzudenken - und bereit sind, unsere Inhalte umzusetzen. Es gibt viele Persönlichkeiten in unseren Reihen, etwa Herbert Kickl als Sozialexperte oder Norbert Hofer als Umweltexperte.

Standard: Und Sie wollen mittlerweile Außenminister werden?

Strache: Ganz offen: Ich würde als Bundeskanzler auch das Innenressort stellen.

Standard: Bundespräsident Heinz Fischer hat es vor kurzem offengehalten, ob er Sie als Bundeskanzler angeloben würde.

Strache: Na, so hat er's nicht gesagt. Der Bundespräsident hat festgehalten, dass er demokratische Wahlergebnisse zur Kenntnis nehmen und beurteilen wird, wen er dann mit der Regierungsbildung betraut.

Standard: Ein Bundespräsident hat schon potenzielle FP-Minister abgelehnt.

Strache: Das hat zu großer Aufregung und großem Protest in der Bevölkerung geführt, dass ein Bundespräsident sich so etwas herausnimmt.

Standard: Welche Konstellation wäre Ihnen lieber: Rot-Blau oder Schwarz-Blau?

Strache: Das ist eine unsinnige Fragestellung. Ich erlebe heute mit SPÖ und ÖVP zwei System- und Proporzparteien. Es braucht eine demokratiepolitische Erneuerung, und die geht nur, wenn wir stärkste Kraft werden. Nur wenn SPÖ und ÖVP auf jeweils 20 Prozent hinunterfallen, werden endlich Erneuerungen stattfinden.

Standard: Mit der ÖVP hat es die FPÖ schon probiert - und man ist schlecht ausgestiegen.

Strache: Vollkommen richtig! Ich werde die Fehler meiner Vorgänger nicht wiederholen. Einer war, dass man in vielen Bereichen die freiheitliche Handschrift nicht mehr wiedergefunden hat.

Standard: Mitte Juni wird am FPÖ-Parteitag das neue Parteiprogramm behandelt. Darin findet sich wieder das Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft, das Jörg Haider in den 1990er-Jahren hat streichen lassen. Warum steht das wieder drinnen?

Strache: Jeder weiß, woher ich komme. Ich komme aus dem dritten Lager. Und ich stehe zu meiner Herkunft. Das ist auch genau mein Erfolgsgeheimnis. Unsere Geschichte haben wir nie verleugnet. Wir machen jetzt ganz bewusst eine Programmoptimierung, wo das Wesentliche herauszuarbeiten ist - neben einem Leitantrag "Österreich zuerst", in dem wir in zehn Punkten unseren inhaltlichen Weg von 2013 bis 2030 aufzeigen wollen, wo man sieht, was wir tun werden, wenn wir den Bundeskanzler stellen und in der Regierung Verantwortung übernehmen.

Standard: Steht es nicht deshalb im Programm, weil Sie sich mit den Burschenschaftern wieder aussöhnen wollten?

Strache: Im nationalen Lager ist niemand vergrault, das würden Sie sich gerne wünschen. (Saskia Jungnikl, Peter Mayr, DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.5.2011)