K. D. Lang and the Siss Boom Bang: "Sing It Loud" (Warner)

Foto: Warner

So möchte jede und jeder einmal angeschmachtet werden, so wie sich K. D. Lang in ihrem Opener in den Staub wirft und I Confess singt. Nein, eben nicht bloß singt - sie vergeht darin, dass es nur so eine Art hat. Damit hat sie einen nach 20 Sekunden in ihr neues Album gezogen, und da kommt, da will man nicht mehr raus. Dabei ist ihr sich verzehrender Tonfall erst der halbe Wahnsinn, die zweite Verführungskraft ist die Musik, die sich auf ihrem neuem Album Sing It Loud an den Dramen von Roy Orbison orientiert: "Ask for anything / I do it gladly" flötet sie - bevor der Songs wie Roys In Dreams endet. Was für ein Einstand!

Der Einfluss von Orbison und dessen Überführung von Kuhbubenmusik in Richtung staubfreie Seelenqual im dunklen Anzug durchzieht das elfte Studioalbum der Kanadierin, das sie mit der Band Siss Boom Bang eingespielt hat. Man kann sagen, diese Band tut ihr gut. Egal ob jemand die Tasten einer Hammondorgel drückt, sich Streicher kurz erheben oder eine Dobro in den Schwermut Forest biegt, die Orientierung am emotionalen Cinemascope bleibt in jedem Moment Auftrag. Und Lang ist darin so sehr bei sich wie man sie schon lange nicht gehört hat.

Die heuer 50 Jahre alt werdende Musikerin zählt zu den besten Croonern, die es gibt. So wie sie die Silben dehnt, die Tempi variiert, leicht anhebt, Abzweigungen nimmt und wieder zurückkommt - es ist atemberaubend. Wollte man mit aller Gewalt etwas bekritteln, so fällt lediglich auf, dass Langs Outfit so gar nicht zur Eleganz ihres Albums passt. Aktuell zeigt sie sich im Holzfäller-Look, karierte Hemden und Arbeitsschuhe. Auch das Sprachrohr, durch das sie am Albumcover grinst, legt eine falsche Fährte. Revolutionäre Wildheit spiegelt sich in Sing It Loud nicht wider. Aber derlei Oberflächlichkeiten wischt sie in dem Moment weg, indem sie mit ihrer trägen Nonchalance in ihre Songs schwebt.

In Langs Musik findet sich trotz mitunter ausladender Instrumentierung ein Idiom wieder, das an den Kammer-Country von Lambchop erinnert - jedoch klassischer, geradliniger arrangiert ist. Auch das Coverversionenalbum der australischen Blackeyed Susans - Dedicated To The Ones We Love - kommt einem stellenweise in den Sinn, wenn Lang durch ihre Songs schleicht. Ein einziges Lied borgt sie sich: Heaven von den Talking Heads, diese Ode an den Müßiggang in der Ewigkeit, halb Paradies, halb Hölle. Auch hier stimmt jede kleinste Betonung, hallt ein Country-Echo nach.

Gottvoll auch der Song A Sleep With No Dreaming, ein Dokument schizoider Zuneigung; Begehren und Selbstverleugnung, die Zutaten jeder echten Beziehungskrise an der Kippe, werden hier zu einer dunklen Nachtfahrt. Am Volant K. D. - auf der Höhe ihrer Kunst. (Karl Fluch  / DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2011)