Foto: AMA Marketing
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„Macht euch die Erde untertan" - es scheint, diese Aufforderung aus dem ersten Kapitel der Bibel ist falsch verstanden worden. Viele Jahre hatte die Natur und das, was sie hervorbringt, so zu sein wie sie in das Bild des Menschen passte. Äpfel und Paradeiser waren am besten makellos mit roten Backen und fester Schale, damit sie den Transport unbeschadet überstehen, lange haltbar und einheitlich in Größe und Geschmack. Die Milchkuh ist braun, das Schaf weiß und das Schwein rosa. So einfach ist das, oder doch nicht?

Und tschüss Lebensqualität!

In den letzten Jahrzehnten ist mit zunehmender Intensivierung der Lebensmittelproduktion ein Stück Lebensqualität verloren gegangen. So sind nach Schätzungen der FAO(Food and Agriculture Organization) in den vergangenen hundert Jahren rund 250.000 Pflanzensorten unwiederbringlich verschwunden.

In Indien wurden einst 30.000 lokale Reissorten gezählt, heute sind es nur noch zwölf. Um 1900 wuchsen in Österreich zirka 3.000 bis 5.000 Apfelsorten - davon sind bis heute nur noch zwischen 400 und 500 übrig geblieben. Eine Handvoll davon findet sich in den Supermärkten. Auch unsere Nutztierrassen hat es getroffen, das Artensterben macht auch vor ihnen nicht halt. Weltweit sind in den letzten hundert Jahren tausend der anerkannten 6.400 Nutztierrassen ausgestorben, 300 davon in den vergangenen dreißig Jahren. Allein in Österreich sind über vierzig Nutztierrassen gefährdet - und damit auch ihre wertvollen Eigenschaften wie Robustheit oder Resistenz gegen diverse Krankheiten. Und natürlich ihre hervorragenden Fleischqualitäten wie feinfasriges Fleisch oder spezielle Fettsäuremuster.

Lust auf Bio macht Gusto auf mehr

Mit dem Boom, den biologische Lebensmittel in den letzten Jahren für sich verbuchen konnten, ist auch das Interesse an alten Sorten stark gestiegen. KonsumentInnen sehnen sich nach dem Echten, dem Unverfälschten und dem Gesunden. Und genau das findet sich in vielen Raritäten, die in Vergessenheit geraten sind und die Bio-BäuerInnen jetzt wieder aufgreifen. Auch, wenn es für sie mehr Arbeit bedeutet. Denn der Anbau alter Sorten ist aufwändig und es gehört schon eine ordentliche Portion Idealismus dazu sowie viel Liebe und Zeit - die brauchen alte Sorten zum Wachsen. Zudem sind sie weniger resistent und ertragreich.

Samenfest statt Hybrid

Im Gemüseanbau setzen immer mehr Bio-BäuerInnen auf alte, samenfeste Sorten. Die Samen dieser Sorten werden im Bio-Landbau weiter vermehrt und müssen nicht - wie bei Hybridsorten üblich - jedes Jahr wieder neu zugekauft werden. So wurden beispielsweise viele alte Paradeisersorten wiederentdeckt, die durchaus widerstandsfähig und pflegeleicht sind. Und auch samenfeste Karotten überzeugen nicht nur durch ihren Geschmack, sondern erzielen auch gute Erträge. Vorausgesetzt sie wurden mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl angebaut.

Und so präsentiert sich vor allem bei Bio LandwirtInnen eine Sortenvielfalt, die jeden erstaunen lässt. Denn die Karotte ist nicht immer nur orange: Kräftig orange, gelblich, weiß, violett, dick, dünn, konisch, kugelrund, zylindrisch, saftig, süß, leicht nussig, kräftig oder herb - die Karotte bietet für jeden Geschmack etwas. Auch vergessene Apfelsorten, die häufig von biologischen Streuobstwiesen stammen, kehren nach und nach wieder auf die Märkte zurück. Der Anbau und die Ernte dieser Streuobstwiesen ist zwar sehr viel zeitaufwändiger, dafür sehen die Wiesen nicht nur schön aus, sondern bieten auch vielen Tieren und Nützlingen Nahrung und Unterschlupf.

Alte Rassen wieder im Kommen

Auch bei der Tierzucht besinnt man sich heute wieder auf alte Haustierrassen. Sie bringen zwar weniger Milch und Fleischertrag, sind aber als „Allrounder" weniger stressanfällig. So taucht das Turpoljeschwein wieder verstärkt in Bio-Betrieben auf. Die genügsamen und robusten Tiere mit dichten Borsten eignen sich problemlos für die ganzjährige Freilandhaltung. Darüber hinaus überzeugt die hervorragende Fleisch und Speckqualität selbst anspruchsvolle Gaumen. Ebenso anspruchslos und kälteresistent ist das Mangalitzaschwein. Die ungarische Schweinerasse war Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa weit verbreitet. Die besondere Qualität liegt in der Herstellung von Dauerwaren wie Speck und Wurst.

Heute steht es auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. So gibt es nur mehr einige Tiere in Ungarn, Deutschland, der Schweiz, Österreich und Tschechien. Was sich hoffentlich - Dank des Einsatzes vieler Bio-LandwirtInnen und der Lust der KonsumentInnen auf besten Genuss - in Zukunft wieder ändern wird.