Blickt auf eine lange evolutionäre Geschichte zurück: der Moosfarn Selaginella

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Bochum - Vor 340 Millionen Jahren, tief im Karbon, war das von Dschungeln überwucherte Land von großen Gliederfüßern, nach heutigen Maßstäben riesenhaften Amphibien und den allerersten Reptilien bevölkert. Allerdings bestanden diese Dschungel nicht aus Bäumen, sondern aus Farnen und Bärlappen - heute sind von letzteren nur noch krautige Gewächse übrig geblieben, damals entwickelten sie baumähnlliche Formen, die dutzende Meter hoch werden konnten.

Mitten unter den pflanzlichen Riesen befanden sich aber auch unscheinbarere Vertreter, die bis heute in nahezu unveränderter Form überlebt haben - etwa der Moosfarn Selaginella moellendorffii. Eine internationale Forschergruppe entschlüsselte das Genom dieses Bärlappgewächses und verglich es mit dem Genom anderer Pflanzen, wie die an der Studie beteiligte Ruhr-Universität Bochum berichtet. Auf diese Weise bestimmten die Forscher eine Reihe von Genen, die spezifisch für Gefäßpflanzen (also alle Pflanzen mit Ausnahme der Moose) sind, aber auch Gene, die Selaginella im Vergleich zu anderen Pflanzen fehlen. Über die Ergebnisse berichtet das Team im Wissenschaftsmagazin "Science".

Die Analyse

Die Entschlüsselung des 22.300 Gene umfassenden Genoms ermöglicht gewissermaßen einen Blick in die Vergangenheit der Pflanzenwelt. Wie die etwa 100 Forscher unter Leitung von Jo Ann Banks von der Purdue University feststellten, fehlen Selaginella die Gene, die in anderen Pflanzen die Blütenentwicklung, den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenstadium und weitere Funktionen kontrollieren. Wie Selaginella ähnliche Funktionen steuert, ist bislang nicht klar. Die Forscher fanden jedoch auch Gene, die typisch für Selaginella und andere Gefäßpflanzen sind, aber nicht in anderen Pflanzengruppen vorkommen. Die Funktion dieser Gene ist bisher völlig unbekannt.

Und weil biologische Systematik eine ehrenwerte Disziplin ist, aber kein Geld einbringt, darf natürlich auch nicht auf potenzielle Anwendungen des neugewonnenen Wissens vergessen werden - soll heißen: Wirkstoffsuche. Die Forscher untersuchten die Gene, die für die Herstellung bestimmter Stoffwechselprodukte verantwortlich sind, welche den Pflanzen beispielsweise ihren Duft verleihen oder ihre Abwehrmechanismen steuern. Viele Arzneimittel werden aus diesen Stoffwechselprodukten gewonnen, die auch "sekundäre Metabolite" genannt werden. Die Gene Selaginellas unterscheiden sich deutlich von denen der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), dem klassischen Modellorganismus für Blütenpflanzen. Da sich die Gene der beiden Pflanzen völlig unabhängig voneinander entwickelten, sind höchstwahrscheinlich auch die sekundären Metabolite sehr verschieden. Selaginella könnte somit eine neue Quelle für Medikamente sein. (red)