Ein Kinderschänder, der rückfällig wird, ist schlimm. Schlimmer ist aber ein Kinderschänder, der rückfällig wird, da er statt in Haft aus Krankheitsgründen auf freiem Fuß ist. Und verheerend ist es, wenn keiner so recht wissen wollte, warum er denn nicht in die Zelle kann.

Keine Frage, die Option des Haftaufschubs ist eine wichtige Möglichkeit. Einen akut Krebskranken hinter Gitter zu stecken würde vielleicht die Law-and-Order-Fraktion befriedigen, der Gesellschaft nutzt es nichts. Und dieses Recht muss auch für Kinderschänder gelten, so widerlich deren Verbrechen auch sind.

Im aktuellen Fall geht das Verständnis allerdings ein bisschen gar weit. Ein 46-jähriger Verurteilter lebt seit Juli 2009 in Freiheit, da ihm ein Gutachter psychische Erkrankungen, darunter Klaustrophobie, bescheinigt hat. Mit Verlaub: Psychische Erkrankungen sind behandelbar, mit Psychopharmaka und Verhaltenstherapien. Jeder Arbeitnehmer muss nach einigen Wochen im Krankenstand regelmäßig zum Chefarzt gehen, wo sein Zustand geprüft wird.

Nicht so hier. Ein Gutachten gab es im Herbst 2009, eines im Herbst 2010, das nächste wäre Ende 2011 fällig gewesen. Das Gericht hat das offenbar nur abgenickt: Der Sachverständige wird schon wissen, was er sagt. Auf die Idee, zu fragen, ob der Verurteilte nicht unter Bewachung im Spital behandelt werden könnte, kam niemand - zum Schaden der Opfer. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 11.5.2011)