Die Arbeit der Tatortreiniger beginnt, sobald die Leichen abtransportiert wurden.

Foto: ASTRA Services

Manfred Dunkl und seine Kollegen reinigen jedoch auch Wohnungen von Messies und dementen Menschen.

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Der professionelle Reiniger und Sozialberater meint: "Kaum jemand weiß mehr, wie es den unmittelbaren Nachbarn geht."

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Manfred Dunkl kratzt und schabt beruflich den Tod heraus. Seine Wiener Firma ASTRA hat sich auf die Reinigung von Tatorten, Unfall- und Leichenfundorten spezialisiert. Sie machen die Schauplätze wieder begehbar, entsorgen biogefährliches Material und beseitigen mögliche Infektionsquellen. Der letzte spektakuläre Fall war die Reinigung nach dem Mord mit Geiselnahme in der Bezirkshauptmannschaft Klosterneuburg.

Dunkl erklärt, welche Voraussetzungen zum Beruf des Tatortreinigers dazu gehören: die Gewerbeberechtigung als Gebäudereiniger, Schädlingsbekämpfer und Desinfektor. Bei Kriminalfällen muss die Polizei den Tatort freigeben, bei natürlichen Todesfällen der Gemeindearzt. Sobald die Leiche abtransportiert wurde, rücken die Tatortreiniger an.

Seine Vorgangsweise beschreibt Bauingenieur Dunkl als eine Gratwanderung zwischen Taktgefühl und Informationsbeschaffung: "Ich versuche, bereits telefonisch so viel wie möglich zu erfahren. Wie lange und worauf lag die Leiche in der Wohnung, aus welchem Material ist der Boden und wie sind die Wände beschaffen?" Für die Organisation des Einsatzes müssen die Arbeiter außerdem wissen, wie viel kontaminiertes Material abtransportiert werden muss: Ordert man einen Container, oder lieber gleich zwei? "In der Regel wird es für den Kunden viel teurer, wenn wir mehrmals anrücken müssen", sagt der Tatortreiniger.

So habe vor einiger Zeit eine Frau angerufen: Es gehe um eine Matratze. Ein Mieter sei zwei Wochen tot im Bett gelegen, es sei aber nur die Matratze zu entsorgen. Dunkl habe schon den Verdacht gehabt, dass das nicht die einzige Baustelle in der Wohnung sein werde: "Und ich lag richtig. Das Bild, das sich uns geboten hat, war ein ganz anderes. Die Matratze war bereits mit dem Bett verwachsen." Nach Zerteilung der Matratze und Trennung vom Lattenrost, sahen Dunkl und seine Mitarbeiter erst die volle Bescherung, denn auch der Laminatboden war betroffen. "Ich habe der Dame empfohlen, dass wir weitermachen und schließlich wurden drei Einsätze daraus. Danach ist der Geruchsneutralisator noch eine Woche gelaufen", sagt er.

Eine gute Vorbereitung schone letztendlich auch die Brieftasche der KundInnen. Schwierig werde es mit Betroffenen, die versuchen, das "Problem" selbst zu lösen. Ohne spezielle Reinigungs- und Desinfektionsmittel sowie die notwendige Schutzbekleidung können irreparable Schäden und ein Gesundheitsrisiko entstehen.

Künstliches Duftaroma und natürliche Verwesung

Dunkls Münchner Kollege Peter Anders hat eben erst das Buch "Was vom Tode übrig bleibt" zu diesem Thema verfasst und berichtet von Eigeninitiativen der Angehörigen oder Vermieter: "Die Mischung aus künstlichem Duftaroma und natürlicher Verwesung riecht furchtbar und hat zugleich etwas Rührendes. Als hätte jemand versucht, einen Waldbrand zu löschen, und zwar mit einem ganz, ganz kleinen Gießkännchen." Aus einem Raum, in dem eine Leiche gelegen habe, sei der Geruch ähnlich schwer zu entfernen, wie nach einem Zimmerbrand, berichtet der Autor.

Die Flüssigkeiten, die eine Leiche nach einigen Tagen oder Wochen Verwesung verliert, sickern tief in den Boden ein und fressen sich auch durch Laminat. Anders vergleicht den Leichensaft auf dem Boden einem "Tintentropfen auf einem Löschblatt". In diesen Fällen hilft nur noch der Luftdruckmeißel und Schrubben mit aggressiven Reinigungsmitteln wie Chlor oder Wasserstoffperoxid. Peter Anders schildert in seinem Buch den Arbeitsalltag der Tatortreiniger: "Unter den hermetisch abgeschlossenen Overalls überlegt man sich bei jeder Kleidungsschicht, die man darunter trägt, genau, ob sie nötig ist. Wenn man im Hochsommer in so einem Erwachsenenstrampelanzug arbeitet, verliert man am Tag vier bis fünf Liter an Flüssigkeit - sogar, wenn man nichts als die Unterhose darunter trägt." Der Reinigungsspezialist trägt außerdem zwei Paar Handschuhe übereinander: "Ich will das Gefühl der Sicherheit, dass ich im größten Dreck arbeiten kann, ohne dass irgendetwas zu mir durchkommt."

"Eine Marktlücke entdeckt"

Die Wiener Firma wählte also nicht umsonst den Slogan "Wir knien uns für sie rein". Der ASTRA-Chef will die einzelnen Arbeitsschritte aber nicht verraten: "Wir sind die einzigen, die diese Arbeit auf diese Weise in Ostösterreich erledigen. Wir haben also unsere Berufsgeheimnisse", sagt Dunkl. Wie kommt man also zu diesem Beruf, wenn es in Österreich wenige Vorreiter gab? ASTRA war neben Hausbetreuung, Reinigung und Graffitientfernung auch auf die Härtefälle wie Brand- und Wasserschäden spezialisiert. Dunkls Geschäftspartner sah eine Reportage über deutsche Tatortreiniger im Fernsehen und so entstand die Idee, den Einsatzbereich zu erweitern: "Wir haben uns umgesehen, was in Österreich auf dem Sektor los ist und die Marktlücke entdeckt."

Da Dunkl nebenbei Lebens- und Sozialberater ist, seien ihm "die Nöte der Menschen vertraut". Er räumt aber auch ein: "Manchmal ist es schon sehr tragisch, wie ein Mensch aus dem Leben scheidet. Aber der Tod gehört für mich dazu. Er ist etwas Natürliches."

Gleichgültigkeit und Anonymität

Situationen, die ihn nach einem Auftrag länger beschäftigen, haben oft mit lebenden Personen zu tun. So reinigt seine Firma auch verwahrloste Wohnungen von Messies oder dementen Menschen. "Ich erlebe Teile und Aspekte unserer Gesellschaft, die für andere Menschen verborgen bleiben", sagt Dunkl. Er erinnert sich an den Fall einer älteren, an Demenz erkrankten Dame. Da das Klo verstopft war, lebte sie knöcheltief in ihrem eigenen Kot, in der Küche liefen die Ratten auf der Ablage, auf der sie gerade ihre Zwiebel schnitt, als die Reinigungsprofis mit der Feuerwehr die Tür öffneten.

Die Nachbarn hätten sich erst gekümmert, als die "braune Suppe" durch die Decke getropft sei. Dunkl erinnert sich: "Was mich danach beschäftigt hat, war nicht die alte Frau, die es 'nicht mehr packt', sondern die Nachbarn, die nichts mitbekommen. Erst als die eigene Wohnung betroffen war, haben sie sich gekümmert. Jedoch hätten sie auch dann nicht bei ihrer älteren Nachbarin angeklopft, sondern gleich das Gesundheitsamt gerufen. Manfred Dunkl meint: "Ich erlebe immer wieder Gleichgültigkeit und Anonymität. Kaum jemand weiß mehr, wie es den unmittelbaren Nachbarn geht." (Julia Schilly, derStandard.at, 13. Mai 2011)