Lacke, Farben, Lösungsmittel, Laborabfälle, aber auch infektiöser Spitalmüll und Klärschlamm: 100.000 Tonnen Sondermüll wandern pro Jahr in den Osten Wiens, in den elften Wiener Gemeindebezirk. Im "Werk Simmeringer Haide" werden gefährliche Abfälle von den 270 MitarbeiterInnen möglichst nachhaltig und umweltschonend entsorgt.

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Die Anlage läuft sei Juni 1980 und wurde zeitgleich mit der Kläranlage Simmering errichtet. Eine Kompostierung des Klärschlamms erwies sich im Zuge der Planung einer neuen Kläranlage als nicht zweckmäßig, weil die Landwirtschaft nicht in der Lage ist, die anfallenden Mengen abzunehmen. Zudem war der Kompost wegen der im Klärschlamm enthaltenen Schwermetalle umstritten. Daher wurde beschlossen, den Frischschlamm zu verbrennen.

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So entstanden gleichzeitig und visavis gelegen die Entsorgungsbetriebe Simmering (EbS) und die Hauptkläranlage Wien. Pro Jahr werden zwei Millionen Kubikmeter Klärschlamm thermisch verarbeitet. Vor der Verbrennung wird der Trockengehalt des Dünnschlamms mit Hilfe von Zentrifugen von drei auf 30 Prozent erhöht.

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Die Klärschlamm- wurde mit der Sonderabfallverbrennung kombiniert. Das ermöglicht vor allem die Einsparung von Transportkosten: Der Klärschlamm kommt über Rohre, brennt aber aufgrund seines Wasseranteil von 70 Prozent nicht selbständig - daher wird Gewerbemüll hinzugefügt. "Das schont die Umwelt und die Brieftasche", sagt Werksleiter Ernst Locher.

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Im Jahr 2000 wurde die Anlage von der Fernwärme Wien übernommen, die auch die thermische Abfallbehandlungsanlagen Spittelau und Flötzersteig betreibt. Zum neuen Eigentümer gab es einen neuen Namen: Seither lautet die Bezeichnung "Werk Simmeringer Haide" - und von dieser Anlage werden ganzjährig mehr als 50.000 Haushalte mit Fernwärme versorgt.

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Bevor der Abfall verwertet wird, durchläuft er strenge Kontrollen. Der Sondermüll wird in einem Chemielabor analysiert. "Wir bestimmen zum Beispiel den Brennwert", sagt Chemiker Christian Gössinger. Wenn der Brennwert nicht stimmt, muss gemischt werden. Auch der Wasseranteil im flüssigen Sondermüll hat eine Auswirkung auf die Kosten, denn die Fernwärme Wien muss für die Stoffe und die Energie, die damit gewonnen werden kann, zahlen. Unterschiedliche Stoffe haben unterschiedliche Preise.

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Ein besonders wichtiger Faktor bei der Analyse ist der Umweltschutz. Der Sondermüll wird zum Beispiel auf Schwermetalle untersucht, da diese bei der thermischen Verarbeitung herausgefiltert werden, um die Umwelt zu schonen. In einem zweiten Labor wird zudem das Endprodukt analysiert.

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Je nach Abfallqualität kommen sie in den Drehrohrofenbunker, in das Fasslager, das Tanklager, in die Spitalmüllanlage oder die chemisch-physikalische Behandlungsanlage. Dort werden die Stoffe auf ihre Verbrennung vorbereitet. Radioaktive Stoffe werden nicht angenommen.

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Jedes Fass bekommt zwei Aufkleber: Damit werden zum einen Herkunft, Zeitpunkt der Füllung und eine laufende Nummer ausgewiesen, zum anderen wird das Ergebnis der chemischen Analyse vermerkt. Bei Bedarf wird der Inhalt der Fässer geteilt, da die entstehende Energie in den Öfen sonst nicht zu beherrschen wäre.

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Auch unterschiedliche organische Stoffe landen in Simmering. Krankenhausabfall wird in genormten Behältern in den Spitälern gesammelt. "Bei uns landen aber nur Blinddarm und Co. Größere Körperteile müssen bestattet werden bzw. gelangen in ein Krematorium", informiert Locher.

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Spektakulär wird es, wenn der Zoll anrückt, um beschlagnahmte Waren zu vernichten. Falschgeld, Drogen, geschmuggelte Zigaretten oder im Vorjahr der mit Listerien verseuchte Quargel finden unter strenger Bewachung in den Drehöfen ihr Ende.

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Alles, was die WienerInnen in die Sondermülltonnen werfen, wird in den Müllbunker gekippt und dort mit den großen Greifern eines Krans durchmischt und in den Trichter über dem Verbrennungsrost geworfen. Die Greifer können zweieinhalb Tonnen heben. Unter großem Aufwand müssen die Arbeiter später noch sperrige Teile rausfischen, die auf dem Weg in das Feuer stecken bleiben.

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Der Sondermüll wird im Drehrohr und nicht wie der herkömmliche Hausmüll auf dem Rost verbrannt. Hausmüll braucht bei der Verarbeitung eine Mindesttemperatur von 850, Sondermüll 1100 Grad Celsius. In den Wirbelschichtöfen für den Klärschlamm befindet sich Sand, außerdem wird 170 Grad heiße Luft zugepumpt.

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Vor zwei Jahren gab es einen Zwischenfall: Ein neuer Wirbelschichtofen, der erst 2003 in Betrieb gegangen war, wurde bei einer Explosion stark beschädigt. Die AnrainerInnen waren durch die Reaktion bei der Verbrennung nicht in Gefahr. Um so einen Zwischenfall in Zukunft zu vermeiden, wurde der Ofen nicht nur repariert, sondern teilweise neu konstruiert. Der Wirbelschichtofen 4 ist eine wichtige Entlastung für die anderen drei Öfen dieser Bauart.

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Meist kommt das Werk Simmeringer Heide mit den drei Öfen gut aus, Schwankungen unter dem Jahr können jedoch eine Herausforderung sein. Besonders in der Vorweihnachtszeit, aber auch bei Großereignissen wie zum Beispiel der Fußball-EM 2008 entsteht mehr Klärschlamm.

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Dann ist eine gute Logistik gefragt. Die Schaltzentrale ist in vier Bereiche geteilt: Die Teams kontrollieren die elektrische Anlage, die Wirbelschichtöfen, die zwei Drehrohre und bald wird auch die Müllverbrennungsanlage Pfaffenau von diesem Punkt aus betreut.

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Das Rauchgas wird in vier Stufen, teilweise schon während der Verbrennung, gereinigt.  Ein Elektrofilter beseitigt den Staub, es folgt eine zweistufige nasse Rauchgaswäsche gegen das saure Rauchgas, ein Aktivkohlefilter holt Schwermetalle, insbesondere Quecksilber, heraus und am Ende wird mit einer Entstickungsanlage gearbeitet.

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"Es wäre gelogen, zu behaupten, dass es gar keine Emissionen gibt. Das ist technisch noch nicht machbar. Aber Österreich hat extrem strenge Auflagen, die wir jedes Jahr um 90 Prozent unterschreiten", berichtet Werksleiter Locher.

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Am Ende bleibt eine Schlacke aus nicht brennbaren mineralischen Reststoffen übrig. Sie wird zur Deponie Rautenweg befördert und im Gemisch mit Wasser und Zement als Schlackebeton verwendet. Er findet seinen Einsatz zum Beispiel in der Randabdichtung der Mülldeponie, wodurch das Auswaschen von Inhaltsstoffen durch Regenwasser verhindert werden soll.

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Auch Stoffe, die eigentlich nicht in den Sondermüll gehören, wie Baustellenschutt, Glas und Metall, bleiben übrig und müssen speziell entsorgt werden. Laut Mitarbeiter sei es auch schon vorgekommen, dass eine Badewanne auf dem Laufband landet. "Mülltrennung ist kein Mythos, sondern die Stadt Wien und ihre Bewohner profitieren auch finanziell davon", sagt Fernwärme Wien-Sprecherin Ruth Strobl. (Julia Schilly, derStandard.at, 11. Mai 2011)

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