Märchenstunde mit Inga Busch und Martin Laberenz.

Thomas Aurin / LT NÖ

St. Pölten - Sinn und Identität sucht man bei René Pollesch, dem Großmeister des Diskurstheaters, vergeblich. Handlung, am Ende auch noch eine, die man verstehen kann? Fehlanzeige. Cinecittà Aperta hangelt sich an einem Theoriegerüst (wie üblich Kapitalismuskritik, außerdem Foucault) und kulturellen Versatzstücken entlang. Cinecittà ist die Filmstadt bei Rom, die vor allem durch die Neorealisten Federico Fellini und Roberto Rossellini bekannt wurde. Nun - bei Pollesch - plant Regisseur Rainer Maria Ferrari hier ein Remake von Rossellinis Deutschland im Jahre Null.

Uraufgeführt wurde dieser zweite Teil von Polleschs Ruhrtrilogie auf einer Industriebrache hinter dem Mülheimer Ringlokschuppen. Bereits für den späteren Wechsel auf die Prater-Bühne der Berliner Volksbühne wurde das Open-Air-Geschehen mittels Leinwand ins Theater importiert. Auch bei der österreichischen Erstaufführung in St. Pölten verabschieden sich Inga Busch, Christine Groß, Martin Laberenz, Trystan Pütter und Catrin Striebeck pünktlich zu Vorstellungsbeginn von der Bühne und machen Platz für den Film.

Aberwitziger Nihilismus

Zu sehen ist das Set von Deutschland im Jahre Null, zugleich aber auch die Bergarbeiter-Fernseh-Saga Rote Erde aus den 80er-Jahren. Zumindest haben die Darsteller auch Dreck im Gesicht. Im Film nähern sich die Schauspieler der Bühne, bald sieht man ihre echten Schatten hinter der Leinwand. Das Landestheater und der Platz davor werden kurzerhand zur Cinecittà umfunktioniert, die Schauspieler agieren drinnen wie draußen, begleitet von einem Kamerateam.

Ob der ständig wechselnden Rollen und Geschlechter kann schon mal Verwirrung entstehen: "Ist er nicht süß, er weiß nicht, wer er ist." Außen und Innen passen einfach nicht mehr zusammen. Kommunikation scheitert meist katastrophal, weiß doch niemand mehr wer, geschweige denn in welchem Kontext er ist.

Zu finden gibt es hier viel, zu lachen ebenso: Pollesch und seine großartigen Schauspieler zeigen den Irrsinn und Aberwitz inmitten all des Nihilismus und Kulturpessimismus. Und St. Pölten macht sich sehr gut als Cinecittà. (Andrea Heinz, DER STANDARD/Printausgabe 10.5.2011)