Donauwalzer, und los geht's! Die Mannen von Tal-Gilju sind heuer fest entschlossen, ein gar nicht so bekanntes maltesisches Kulturgut mit dem gut bekannten österreichischen zu untermalen - Raketen tanzen eben auch beschwingter im Dreivierteltakt. Zuerst erhellen blaue Streiflichter das Fort Ricasoli, dann folgen weiße Spots über der Villa Bighi, und nur zehn Minuten später wird bereits der gesamte Hafen von Valletta in ein diskofieberndes Meer aus Feuerwerkskörpern getaucht.
Seit nunmehr neun Jahren tragen maltesische Feuerwerksfabriken wie Tal-Gilju dieses letzte wahrhaft ritterliche Duell untereinander aus. Gekämpft wird um die Ehre und immer an den letzten Apriltagen. Wer die schönste pyrotechnische Choreografie in den nächtlichen Himmel über der mittelalterlichen Kulisse zeichnet, gewinnt - ermittelt wird der Sieger per SMS-Voting. Und wahrlich, die Begeisterung der Malteser für diesen Tanz der Lichter ist so groß wie hierzulande nur mehr für Dancing Stars: Der Löwenanteil des maltesischen Cisk-Biers scheint auf dem Volksfest nicht getrunken, sondern verschüttet zu werden - wegen wilden Tippens.
Lourdes und tröstende Lichter
Erstaunlich nur, dass dieses lichterloh-frohe Duell erst mit der vermehrten Ankunft dankbarer Kreuzfahrer quasi neu erfunden werden musste. Denn schon die Namen der Fabriken - Lourdes, Heilige Maria, Nikolaus oder Unsere Tröstende Mutter - zeugen beredt von einer wesentlich älteren Geschichte: Damit angefangen haben tatsächlich die Johanniterorden. Jeder neue Großmeister auf Malta wurde mit einem Feuerwerk geehrt - und später auch jeder neue Papst im fernen Rom.
Aber die Malteser haben ja generell lustige Ideen für katholische Riten gepachtet: Gepredigt wird beim Gottesdienst faktisch arabisch - immerhin besteht Malti zu 70 Prozent aus arabisch-semitischem Vokabular - und sämtliche katholischen Feiertage hatten schon bald den Heidenspaß vermehrter Feuerwerksbegleitung. Das wiederum bescherte den Herstellern hohe Nachfrage auf der nach wie vor streng katholischen Insel. Gemessen an der Einwohnerzahl, bleibt Malta also bis heute eine Feuerwerksgroßmacht, neben der sogar China wie ein ganz herziger Schweizerkracher verblasst.
Jedenfalls scheinen die neuen Kreuzfahrer bei den alten Kreuzrittern bereits eine Art Mitspracherecht zu genießen, was mit Vallettas Kulturgut geschieht. Bis zu sieben Schiffe auf einmal kann der Hafen begrüßen - dann wollen rund 14.000 Landgänger ganz schnell in die Stadt. Sind sie wieder weg nach dem allabendlichen Ablegen, bleibt dem gewöhnlichen Städtetouristen aber "deren" Infrastruktur: Der gesamte südliche Abschnitt des Passagierhafens ist bereits zur schicken Waterfront umgemodelt worden - mit Restaurants wie dem Pintonino, das zwar schon großmeisterlich kocht, aber wo es aufgrund der hohen Frequenz oft noch zugeht wie bei einem Ritteressen. Und das einzige Stadttor in der mächtigen Festungsmauer wird für alle "Kurzkreuzritter" bald schon ein zeitgenössisches Intro zu Valletta sein. Vor einer Woche haben die intensiven Umbauarbeiten nach den Entwürfen des italienischen Stararchitekten Renzo Piano begonnen.
Allerdings ist eine durch die Kreuzfahrt mobil gewordene "Generation 50 plus" mit EU-Recht im Gepäck zusammen mit Maltas Pendlerschaft auch dafür verantwortlich, dass das bekannteste lokale Kultobjekt verschwindet: Vallettas gelb-orange Bedford- und Perkinsbusse sind eben ganz und gar nicht barrierefrei und zuverlässig - im Juli werden sie von schnöden Chinaimporten abgelöst. Also schnell noch einmal einsteigen, 47 Cent zahlen und bitte nicht kleinlich sein beim Wechselgeld: Maltesische Busfahrer, die bisher auf eigene Rechnung den Linienverkehr gewährleisten mussten, haben es ohnehin nie parat. Sie sparen bestimmt schon für das nächste echt maltesische Feuerwerk. (Sascha Aumüller/DER STANDARD/Printausgabe/07.05.2011)