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Simon Mantel und Patrick O.Beck in 'Punk Rock'

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Eines Tages zieht William in der Schulbibliothek eine Pistole und erschießt drei Mitschüler. Er ist ein netter Bursche - so wie es nach einem Amoklauf oft in den Zeitungen steht. Warum er das macht, bleibt in Simon Stephens' Drama Punk Rock offen. Stephens Stücke kreisen nicht über den psychologischen Zuschnitten der Figuren, sondern weisen über diese hinaus.

Am Wiener Volkstheater, wo Punk Rock seine österreichische Erstaufführung in der Übersetzung von Barbara Christ hatte, versammelt Regisseurin Schirin Khodadadian Schülerpersönlichkeiten mit schnoddrigem Mundwerk und kessen Röcken (Kostüme: Charlotte Sonja Willi). Diese Jugend ist verwirrt, sexuell fixiert, brutal, dabei zutiefst verletzlich.

Mit einer Rampe rückt Bühnenbildner Hugo Gretler das Geschehen nahe ans Publikum: aufgerissene Blusen, suchende Blicke, quietschende Sesselstapel. Der nervöse Bennett (Matthias Mamedof) kompensiert Komplexe mit Attacken auf den Streber Chadwick (toll: Arne Gottschling), Freundin Cissy (Annette Isabella Holzmann) steht ihm mit Grimassen zur Seite. Tanya (Nanette Waidmann) träumt vom bürgerlichen Leben, will ein Kind vom Lehrer. Lilly (Katharina Straßer), neu an der Schule, geht mit Nicholas (Robert Prinzler) ins Bett, obwohl William (Simon Manthei) sie um ein Date gebeten hat.

Regisseurin Khodadadian bildet die Vorgänge realistisch ab, baut auf ein überengagiert jugendliches, fast kindliches Spiel - was das Stück hysterisch macht und verflacht. Dem stellt sie interessante choreografische Ideen entgegen, die den Abend ganz passabel werden lassen: So drückt sich die Unbeholfenheit zwischen William und Lilly etwa in einer absturzgefährdeten Begegnung auf einem schmalen Fensterbrett aus.

Überhaupt: Das exzellente Zusammenspiel von Manthei (William) und Straßer (Lilly) hat Spannung und trägt das Rätsel und die Gefahr all dieser Vorgänge in sich.

Unerfüllte Liebe, enttäuschte Freundschaft oder die globale Erwärmung kann junge Menschen in Hass, Zorn und Panik verfallen lassen. Das reicht Stephens nicht, er eröffnet Leerstellen und markiert Missing Links, die so banal erscheinen wie Williams Erklärung der eigenen Tat: "Ich hab es getan, weil ich konnte." Da hat sich das über dem Schauplatz Schulbibliothek mittig thronende große Glasfenster schon erhellt, hinter dem ein Jugendpsychologe (Patrick O. Beck) zwischen symbolisch hohen Stapeln von Fragebögen seiner Arbeit nachgeht. Wo führt ihn diese Antwort hin? (Margarete Affenzeller/ DER STANDARD, Printausgabe, 9.5.2011)