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Trotz Widerstands der Atomindustrie will die Regierung in Berlin Fakten schaffen und den Ausstieg aus der Kernenergie festschreiben. Gedacht wird an eine Stilllegung der Atommeiler in mehreren Wellen.

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Berlin - Das dreimonatige Moratorium zur Kernenergie endet zwar erst am 15. Juni, die schwarz-gelbe Regierung in Berlin arbeitet aber bereits an der endgültigen Abkehr vom Atomstrom. Die sieben alten Atommeiler, die nach der Katastrophe von Fukushima vorübergehend vom Netz genommen wurden, sollen kalt bleiben, die restlichen neun Meiler nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel in drei Wellen vom Netz gehen.

Treibende Kraft ist Umweltminister Norbert Röttgen (CDU). Er möchte den Energiekonzernen den eigentumsrechtlichen Schutz für ihre Kernkraftwerke absprechen. Diese seien nach spätestens 27 Jahren erloschen, wenn die Anlagen steuerlich abgeschrieben seien und einen angemessenen Gewinn abgeworfen hätten, heißt es im Büro von Röttgen. Diese Rechtsgrundlage würde es erlauben, auch die zuletzt ans Netz gegangenen Atommeiler in einigen Jahren per Gesetz stillzulegen.

Gedacht wird an einen Stufenplan, bei dem zu drei Zeitpunkten je drei der insgesamt neun moderneren Kernkraftwerke vom Netz genommen werden sollen. Der Ausfall soll durch Inbetriebnahme neuer Gaskraftwerke und den Ausbau erneuerbarer Energien kompensiert werden.

Die Atomstromkonzerne wollen sich gegen einen Eingriff in ihr Eigentum wehren. Einen Anlauf zur Abschaltung von AKW habe bereits die rot-grüne Regierung unternommen, dann aber darauf verzichtet. Eon-Chef Johannes Teyssen will sich für den Fall einer Konfrontation alle rechtlichen Möglichkeiten offenhalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel plant für 18. Mai eine Spitzenrunde zur Energiepolitik. Eingeladen sind aber nur die Verbände, nicht die einzelnen Stromkonzerne. In Berlin schließt man aus dieser Tatsache auf ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Merkel und den Energiemanagern.

Die CSU bereitet sich unterdessen auf einen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2020, spätestens 2022 vor. Darauf deutet das Energiekonzept des bayerischen Umweltministers Markus Söder (CSU). Darin ist festgeschrieben, dass der Anteil der Gaskraftwerke an der Stromerzeugung bis 2020 um bis zu 50 Prozent gesteigert und der Anteil der erneuerbaren Energien auf mehr als 50 Prozent verdoppelt werden soll.

Auch die Bundesregierung setzt bei der Energiewende auf einen Investitionsschub bei erneuerbaren Energien. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz sollen erstmals konkrete Ziele für den Anteil von Ökostrom festgeschrieben werden. Für 2020 sind 35 Prozent, für 2030 schon 50 Prozent geplant.

So problemlos wie von manchen erhofft scheint aber selbst die geplante Stilllegung der sieben Alt-AKWs nicht zu gehen. Wegen Terminschwierigkeiten werden die notwendigen Änderungen im Atomgesetz wohl erst am 8. Juli und nicht wie ursprünglich geplant am 17. Juni im Bundesrat beschlossen werden können. Nun hofft man, dass die Stromkonzerne die Alt-AKWs nicht sofort nach Auslaufen des Moratoriums am 15. Juni wieder ans Netz nehmen.

Zu den fraglichen AKWs zählen Neckarwestheim I, Philippsburg I (Baden-Württemberg), Biblis A und B (Hessen), Isar I (Bayern), Unterweser (Niedersachsen), Brunsbüttel und Krümmel (Schleswig-Holstein). (dpa, stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.5.2011)