Altern in Würde in Gabi Schweigers "Die Lust der Frauen", ORF 2, 23.05 Uhr.

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Letztlich ist es eine Frage der Definition. "Altern in Würde" - damit verbinden Töchter und Söhne gern Weisheit, Gelassenheit, Oma-Opa-Qualitäten, Kinderbetreuung, nach Möglichkeit jederzeit und auf Zuruf verfügbar.

Bernadette (63) versteht unter würdevollem Altern "guten Sex". Während sie das sagt, steht sie in der Küche und knetet Teig, wie Omas das so tun. Das eine schließt das andere nicht aus.

Die 52-jährige oberösterreichische Dokumentarfilmerin Gabi Schweiger durchbricht in ihrem Erstlingswerk Die Lust der Frauen ein Schweigen, das sich in Zeiten übersexualisierter Medienwelten hartnäckig hält. Weibliches Begehren im fortgeschrittenen Alter wird in der Öffentlichkeit selten thematisiert. Schweiger geht das Thema mit Leichtigkeit an, dringt in ihren Frauenporträts in die Tiefe, ohne auf Augenzwinkern zu verzichten.

"Sexuell aufdrehen"

"Der Speck ist überall, wurscht, wie ich lieg", sagt Brigitte (70). Nach 19 Jahren Ehe will sie "sexuell aufdrehen". Das Internet hilft, die Bekanntschaft entwickelt sich "sehr erfreulich" zu einer offenen Beziehung. "Wir machen uns sonst nicht sehr viel aus", sagt Brigitte. Die Normalität, in der die Frauen erzählen, steht im krassen Gegensatz zur gesellschaftlichen Akzeptanz. In den erotischen Bedürfnissen älterer Frauen funktioniert Diskriminierung bis heute unausgesprochen.

Schweiger lässt sich davon nicht irritieren und stellt eine Frau nach der anderen vor. Alle beharren auf ihrer Identität, die manche früher oder später fanden. Mehr als ein Treffen brauchte Birgit (64) nicht: "Wir haben uns gesehen und gewusst: passt." Ihre Partnerin holt sie vom Bahnhof ab, beide kommen mit Blumen.

Die Lust der Frauen wurde von Nikolaus Geyrhalter produziert. Der Film lief vor kurzem in den Kinos. Der ORF zeigt ihn zum Gesundheitsschwerpunkt und beweist mit dem Sendetermin Muttertag überraschendes Fingerspitzengefühl. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 7./8.5.2011)