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25 Kilometer vor der süddänischen Insel Lolland produzieren 90 Windräder Strom für 200.000 Haushalte. Negative Auswirkungen auf das Leben in der Luft und im Wasser gibt es bisher nicht

Foto: dpa/Stefan Sauer

Der Ort hat schon bessere Zeiten gesehen. Von vielen Fassaden bröckelt der Putz. Lisbeths Friseursalon ist genauso leer wie der Bäckerladen nebenan. Jedes dritte Geschäft hat die Rollläden heruntergelassen, manches für immer.

"Ohne die Fähre nach Puttgarden gäbe es Rödbyhavn gar nicht", sagt Mattias Hennius. Der hochgeschossene Schwede hat zwei Jahre hier gelebt und beim Bau des Windparks in der Ostsee mitgeholfen. Die Fähre nach Deutschland ist für mich gleichbedeutend mit Urlaub", sagt er.

"Während der Bauzeit war hier viel los", erzählt die Verkäuferin im Supermarkt. Mara steht auf ihrem Namensschild. Hennius, der Schwede, schaut nur noch ab und zu vorbei. "Wartungsarbeiten und so", sagt er bei einem Lokalaugenschein des Standard auf der süddänischen Insel Lolland, auf der das wenige tausend Einwohner zählende Rödby samt Hafen liegt.

Hennius arbeitet für Eon Wind AB, den schwedischen Ableger des deutschen Energiekonzerns. Eon hat im vorigen Herbst nach knapp zweijähriger Bauzeit den Vollbetrieb des Offshore-Windparks Rödsand II aufgenommen. Mit 207 Megawatt installierter Leistung ist er einer der größten.

Genug für 200.000 Haushalte

Das Wasser, aus dem die 90 Windräder herausragen ist hier flach. "Bis zum Grund sind es 5,5 Meter, da draußen zwölf", deutet Hennius zur letzten Reihe Windräder, die vom Boot aus zu sehen sind. Mit Booten gelangen auch die Wartungsteams zu dem rund 25 Kilometer vor der Küste gelegenen Windpark. Die Flügel der von Siemens gebauten Anlagen drehen sich im Durchschnitt 15-mal in der Minute; sie produzieren 800 Gigawattstunden Strom im Jahr. Das reicht für 200.000 Haushalte.

Dänemark ist die Hochburg der Windenergie. Deutschland, das nun Genehmigungsverfahren für Offshore-Windparks straffen will, und Großbritannien haben zwar stark aufgeholt. Pro Kopf produziert aber kein anderes Land mehr elektrische Energie aus Windkraft. Diese deckt inzwischen knapp ein Viertel des dänischen Strombedarfs.

"Der Wind ist heute gut", sagt der Bootsführer: "Nicht zu viel, nicht zu wenig". Um Schäden vorzubeugen, schalten die Anlagen bei einer Windstärke von 25 Meter pro Sekunde ab. Unter drei Meter pro Sekunde läuft auch nichts.

Eon hat sich Rödsand II umgerechnet 450 Mio. Euro kosten lassen. "Es ist schwieriger und riskanter als an Land. Wenn es funktioniert, ist die Ausbeute aber auch um bis zu 50 Prozent größer", sagt Bjarne Haxgart, Bauleiter des Projekts. Er war schon beim Windpark Rödsand I dabei, der seit 2003 Strom liefert. Und die Natur? "Die ist sehr flexibel", sagt er.

Mehr Fische, mehr Muscheln 

Bis jetzt seien keine negativen Auswirkungen zu sehen - im Gegenteil. Es gebe mehr Fische, an den Windradfundamenten finde man Muscheln; sogar Seehunde hätten sich hier fortgepflanzt, was in diesem Teil der Ostsee noch nicht beobachtet worden sei. Flugtauben seien von den 16 Tonnen schweren, 93 Meter langen Flügeln auch keine erschlagen worden, wie dies Naturschützer befürchtet hatten. Haxgart: "Die Tiere sind schlauer. als wir glauben."

Dass das eine oder andere Elektron aus dem hier produzierten Strom auch nach Österreich gelangt, sei sehr wahrscheinlich. Als im Herbst 2006 nach Abschaltung einer Starkstromleitung in Teilen Deutschlands das Licht ausging, weil viel Windstrom nach Süden drückte, flackerten auch in Österreich zwei Minuten später die Lichter. Nur unwesentlich länger sei ein Elektron von Dänemark nach Österreich unterwegs, schätzt man bei der Austrian Power Grid, die das heimische Hochspannungsnetz betreut. Deren Chef Heinz Kaupa warnt, ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren sei nur bei gleichzeitiger Stärkung der Netze sinnvoll. Sonst steige die Gefahr von Blackouts. Wegen mangelnder Speicherfähigkeit müsse europaweit jederzeit genauso viel Strom erzeugt werden, wie verbraucht wird.

Das könnte sich ändern. "In zehn Jahren werden wir Komplettlösungen anbieten - Windkraft und den passenden Speicher dazu", sagt Henrik Stiesdal, Cheftechniker von Siemens Wind Power in Brande, Zentrum der Siemens-Windradproduktion.

In Rödbyhavn hofft man unterdessen, dass die guten Zeiten wiederkehren. "Ja", sagt Mara, die Verkäuferin im Supermarkt. "Wenn neue Windparks gebaut würden, wäre das gut für uns." (Günther Strobl, DER STANDARD Printausgabe, 5.5.2011)