Die Besucherinnen des Töchtertags basteln Eiskugeln. Damit werden Fotovoltaikmodule auf Hagelresistenz getestet.

Foto: Krischanz und Zeiler/AIT

Die Veranstalter kämpften mit dem großen Altersunterschied.

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"Zu Beginn meines Physikstudiums an der TU Wien waren wir 100 Erstsemestrige, davon vier Frauen. Ein Jahr später waren wir 60 Studierende - aber immer noch vier Frauen", erzählt Brigitte Bach. 20 Mädchen im Alter zwischen elf und 16 Jahren sitzen in den Bankreihen und lauschen gebannt den Ausführungen der Leiterin des Energiedepartments des Austrian Institute of Technology (AIT). Dieses nämlich ist eines der 170 Unternehmen, die am 28. April im Rahmen des zehnten von der Stadt Wien organisierten Töchtertags ihre Pforten öffneten. Ziel ist es, Mädchen in technische und naturwissenschaftliche Berufe schnuppern zu lassen.

"Wir brauchen euch!" Mit diesem Appell verabschiedet sich Bach und überlässt die Bühne dem Thema Energie. Was ist eine Solarzelle? Wie wird sie hergestellt? Konzentriert hören die Besucherinnen zu. Dann drängen sie sich um die Experimentiertische im hinteren Teil des Saales. Eine große Lampe wird angeknipst und so Sonnenlicht imitiert. Der Spielzeugbus mit Solarzellen am Dach, bisher mucksmäuschenstill auf dem Tisch verharrend, fährt jetzt energiegeladen los. "Das ist cool", ertönt es aus den Reihen.

Hitze und Kälte

Anschließend werden die Laborhallen besichtigt. Kabel liegen verstreut, die Worte verhallen in den hohen Räumen. Hier werden die Fotovoltaikmodule auf Temperaturempfindlichkeit getestet und die Festigkeit des Materials geprüft - etwa beim Hageltest. Dafür befüllen zwei Mädchen kugelförmige Gefäße mithilfe von Dosierspritzen mit destilliertem Wasser. Der tatsächliche Test erfolgt aber mit Kunststoffkugeln, weil die Eiskugeln nur langsam abkühlen dürfen. "Sonst werden sie rissig", erklärt die Forscherin Sabrina Novalin.

Einige Mädchen inspizieren währenddessen den Minus-40-Grad- und den Plus-50-Grad-Raum. Der Kälte- bzw. Hitzeschock weckt die letzten müden Geister - und die Skepsis, die sich beim nächsten Programmpunkt, dem energiesparenden Bürogebäude "EnergyBase", äußert. "Passivhäuser sind doch nicht gut, ich kenne jemanden, der ausziehen muss, weil über die Lüftungsschächte überall Schmutz hineinkommt", kritisiert Besucherin Santina. "Dann war das Haus schlecht geplant", kontert Julia Schmidmayer, die gerade technische Details preisgibt. Die schräge Fassade ermöglicht eine ideale Ausnutzung des Sonnenlichts, die Räume werden über Erdwärme und Solarenergie beheizt, im Sommer über einen Wärmeaustauscher abgekühlt.

Lautstärke und Resonanz

Im dritten Stock des Bürogebäudes betritt die Gruppe einen hellen Raum. Der flächendeckend verlegte, graue Teppichboden verschluckt ihre Schritte, die Mädchen bewegen sich weiter bis zur Pflanzenoase im äußeren Winkel des Zimmers. Diese dient der Luftbefeuchtung. Lärm und Mobilität stehen im Mittelpunkt des zweiten Teils des Töchtertags. Der Forscher Manfred Haider sucht gerade zwei freiwillige Sängerinnen. "Gesangstalent ist nicht erforderlich", versucht er zu beruhigen.

Zaghaft melden sich zwei Freiwillige. Die Mädchen, beide von einer Tourismusschule, müssen gleichzeitig in die aufgestellten Mikrofone singen, um die Lautstärken miteinander zu vergleichen. Warum sie heute dabei sind? "Keine Ahnung, wir wurden von der Schule so eingeteilt, ich glaube, das ging nach Alphabet", erklärt die 16-jährige Carina lapidar. Sie möchte sich jedenfalls für einen Praktikumsplatz bewerben.

Die elfjährige Julia möchte nun den Lärm reduzieren. Dazu hat Haider bereits eine Kiste umgekehrt platziert. "Das ist jetzt unserer Resonanzraum." Julia legt darauf ein Handy und misst die Lautstärke des Vibrationssignals. Mit einer Dämmung aus Schaumstoff in der Hand wiederholt sie den Versuch. Mit Erfolg, denn die Dezibelanzahl ist gesunken. "Ich hätte nie gedacht, dass die Dämmung wirklich so gut funktioniert", meint sie. Zum Abschied schenkt Haider den Teilnehmerinnen ein "Mitbringsel": Ohrenstöpsel, "der wirkungsvollste Schutz gegen Musiklärm", erklärt der Wissenschafter augenzwinkernd.

Leise und sicher

Einen Gehörschutz benötigt man jedenfalls nicht, wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, das den Mädchen im Innenhof präsentiert wird. Es fährt mit Strom und emittiert weder Motorengeräusche noch CO2. Unmittelbar neben der Maschine steht ein großer gelber Lkw. Julia zückt bereits ihr Handy und fotografiert, während Betreuerin Claudia Hable erzählt, dass der "RoadStar" den Zustand der Straßen vermisst und so mögliche Unfallstellen identifizieren kann. Zurück im Seminarraum wird die abschließende Feedbackrunde eingeleitet. Die "kindische Formulierung des Tagesablaufs" wird kritisiert sowie für mehr praktische Projektarbeit plädiert.

Hable ist sich des Problems bewusst: "Es ist nicht einfach, ein Programm aufzustellen, dass allen zusagt. Ich wäre die Erste, die für eine Altersstaffelung beim Töchtertag einsteht." Zudem mangle es an Durchmischung. "Ich finde es extrem schade, dass fast nur Gymnasiastinnen zu Besuch sind. In der heutigen Gruppe befanden sich gerade einmal zwei Hauptschülerinnen." (Sophie Niedenzu/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.5.2011)