Roman Breithofer.

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Jede Werbekampagne, ob online oder offline geschalten, zeigt Wirkung auf zwei fundamentalen Ebenen: der Awareness-Ebene einerseits, auf der langfristige kognitive Faktoren wie Recall, Recognition und Brand Attitude dominieren und der Response-Ebene andererseits, auf der es darauf ankommt, den User kurzfristig zu einer bestimmten, direkten Handlung zu bewegen.

Mittels entsprechender mediaplanerischer und kreativer Maßnahmen ist jede Kampagne eher auf Awareness oder eher auf Response ausgerichtet. Während sich nun andere Werbemedien viel mehr für die eine als die andere Wirkungskategorie eignen (etwa TV vs. Direct Mailing), kann das Internet durch seine spezielle Eigenschaft, interaktive, multisensorische Individualkommunikation auf einer Massenebene zu ermöglichen, beide Ziele effizient verfolgen.

Search Engine Advertising

Dabei empfiehlt es sich, für kurzfristige Response-Ziele vorrangig Search Engine Advertising heranzuziehen beziehungsweise eine explizite Performance-Kampagne aufzusetzen - und die dabei automatisch generierten Awareness-Effekte als "collateral benefit" zu schätzen. Es ist denn auch mehr als nur Trost, dass überall da, wo Response draufsteht, auch ein Quantum Awareness drin ist und umgekehrt, wie zuletzt Roland Kreutzer in seinem Blogbeitrag über den Status der "Branding-Werbung" dargelegt hat.

Komplementär dazu ist es angebracht, das Hauptaugenmerk im TKP-basierten Display Advertising auf die Erreichung von langfristigen Awareness-Zielen zu legen - und die dabei automatisch generierten Response-Effekte als "collateral benefit" zu schätzen. Schließlich führen im Schnitt mehr als 99 Prozent der gekauften Sichtkontakte nicht zu einem (unmittelbaren) Response.

Wenn auch das gute, frühe (!) Zusammenspiel zwischen Kunde, Mediaagentur und Kreativagentur für den Erfolg jeder Kampagne unbestritten ausschlaggebend ist, so gibt es doch eigene Zuständigkeitsbereiche. Für die thematisierte Unterscheidung in Awareness- und Response-Ziele heißt das: während mediaplanerische Maßnahmen in der Regel beschränkten Einfluss auf die Quantität des Response haben, das heißt weniger bewirken als die kreative Umsetzung des Werbemittels und das Produkt an sich, wie eine Studie des internationalen Marktbeobachters comScore annimmt, liegt die Hauptverantwortung für die Quantität und Qualität der kognitiven Effekte bei Mediaplaner und Werbeträger.

Qualität der Kontakte

Während man sich auf der Response-Ebene schon seit langer Zeit nicht mehr damit begnügt, nur die Quantität des Response zu messen (Anzahl Klicks auf Werbemittel), sondern auch dessen Qualität unter die Lupe nimmt und beobachtet, welcher Klick auf welches Sujet in welchem Format auf welchem Werbeträger auf welcher Platzierung zu welcher Tageszeit in welcher Region bei welcher Zielgruppe zu welchen Kosten zu einer Probefahrtanmeldung führt, so gab es auf Awareness-Ebene lange Zeit einen Stillstand in den Bemühungen, deren Effekte besser zu bewerten. Bis dato wird stark auf die Quantität der Kontakte geachtet, also auf die Anzahl der AdImpressions und die Kontaktfrequenz pro Unique Client in einem bestimmten Zeitraum. Punkto Qualität der Kontakte spielen seit langem mehr oder weniger gleichberechtigt leicht bestimmbare Faktoren wie Zielgruppennähe der Platzierung, passendes Umfeld, Image des Mediums oder Größe des Werbemittels eine Rolle, wie sie Matthias Stöcher in seinem jüngsten Blogbeitrag über die qualitative Unterscheidung von Werbeplätzen anführt.

Wie Stöcher im Weiteren betont, wird jedoch in der Kategorie Qualität ein gewichtiger, harter Faktor weitgehend ausgeblendet, der für die große Mehrheit der nach wie vor passiven User maßgeblich ist: der Faktor Zeit.

Wie lange dauert der Kontakt eines (anonymen!) Users mit dem Werbemittel auf einer bestimmten Werbeplatzierung?

Nun ja, diese Frage lässt sich mittlerweile beantworten. Und zwar mit Hilfe des von der Mediaagentur OMD eingesetzten Tools "adwatch", das ich in einem Blogbeitrag vergangenen Dezember näher vorgestellt habe.

Mit diesem Tool wird eine beträchtliche Lücke bei der Bewertung der Qualität der eingekauften Kontakte geschlossen, und wir machen einen großen Schritt von der geplanten Kampagneneffizienz hin zur angestrebten Kampagneneffektivität. Wie für Response-Kampagnen PostClick-Tracking zur Evaluierung der Qualität eingesetzt wird, ist für Awareness-Kampagnen die Messung der Anzeigedauer und tatsächlicher Sichtbarkeit des Werbekontaktes (Viewtime und Visibility) sehr zu empfehlen - die Optimierung der entsprechenden Mediapläne erfährt einen neuen Schub.

Seit Dezember konnten wir in einer Reihe von Kampagnen Erfahrungswerte sammeln.

Die folgenden Statements basieren allein auf Häufigkeitsverteilungen aus zwölf gemessenen Kampagnen und genügen (noch) nicht wissenschaftlichen Standards.

  • Die Viewtime liegt bei durchschnittlich 20 Sekunden, mit starken Schwankungen nach oben und unten
  • Die Viewtime schwankt nicht nur zwischen Websites stark, sondern auch innerhalb ein und derselben Website
  • Content-Websites (Nachrichten) bieten längere Viewtime als Service-Websites (Social Media und Shopping/Börsen)
  • Je tiefer in der Website, umso länger die Viewtime
  • Je länger die Viewtime, desto höher die Klickwahrscheinlichkeit
  • Die Visibility Rate liegt im Schnitt bei 70 bis 80 Prozent (naturgemäß stark abhängig vom gebuchten Format)
  • Je höher die Visibility Rate, desto höher die Klickwahrscheinlichkeit

Ein tabellarischer, vereinfachter Report einer singulären Kampagne steht links zum Download bereit. Wir haben diese Kampagne unter vielen Gesichtspunkten bewertet, nur zwei davon bezogen sich auf die Parameter Viewtime und Visibility. Die Ergebnisse sind real, wobei nur die Werte für den Werbeträger derStandard.at als dessen ausgewiesen sind. Es ist anzumerken, dass die Ergebnisse stark vom eingesetzten Werbemittelformat abhängen (eine Sitebar erzielt per se längere Viewtime und höhere Visibility).

Download Report

In der vorliegenden Kampagne wurde eine Visibility Rate von 74,2 Prozent erreicht. Das bedeutet, drei von vier ausgelieferten und bezahlten AdImpressions waren zumindest teilweise im Sichtfeld eines aktiven Users. Die durchschnittliche Viewtime beträgt für die Kampagne 22,9 Sekunden - wie im Report erklärt, ist dieser Wert der stärkeren Aussagekraft wegen bereits daraufhin gewichtet, wie gut das Werbemittel sichtbar war: ist das Werbemittel gerade nur zu 83 Prozent sichtbar (der Rest im Scrollbereich), dann läuft auch der Counter langsamer, analog um 17 Prozent. Schließen wir jene AdImpressions aus, die gar nicht gesehen wurden (für null Sekunden), dann kommen wir auf eine durchschnittliche tatsächliche Viewtime von 30,9 Sekunden. Weiters angegeben sind Gesamtdauer der AdImpressions und einige auf die Kosten bezogene Kennzahlen: Tausend-Minuten-Preis und Effektiver TKP, wobei gerade bei ersterem große Schwankungen erkennbar werden, wie auch Stöcher zuletzt anhand allgemeiner ÖWA-Zahlen vorgerechnet hat.

Ebenso messen wir die Anzahl der Unique Clients und Kontaktfrequenzen. So haben wir in der vorliegenden Kampagne rund 620.000 Unique Clients (übergreifend bereinigt) erreicht, von denen jeder das Werbemittel während etwas mehr als drei Kontakten knapp 103 Sekunden lang gesehen hat.

Um das Ausmaß der angenommenen positiven Korrelation zwischen Viewtime/Visibility und Recall/Recognition/Brand Attitude auch wissenschaftlich und konkret zu überprüfen, werden wir in Bälde eine Studie durchführen, deren Ergebnisse wir gern an dieser Stelle präsentieren. Eine spannende Frage wird dabei auch sein, wie weit sich ein Zusammenhang zwischen Viewtime und Qualität des Klicks herstellen lässt, quasi über die „Grenze" von Awareness zu Response hinweg.

Abschließend eine m. E. nötige Relativierung: die Kennzahlen Viewtime, Visibility und abgeleitet der "Tausend-Minuten-Preis" - so wichtig und neu sie auch sind - sollten in der praktischen Mediaplanung als einfach weitere Stellschrauben (wie unsere deutschen Freunde zu sagen pflegen) angesehen werden, als weitere Hebel im faszinierenden Räderwerk des Online Advertising. Denn nach wie vor spielen natürlich Dutzende anderer Kriterien ihre Rollen, manchmal größere, manchmal kleinere, und was der User macht, ist ohnehin ein anderes Thema. (Roman Breithofer, derStandard.at, 3.5.2011)