Endlich! Ein ungeschriebenes Gesetz ist gebrochen. Welche Gründe auch immer dahinter gesteckt haben, aber bis vor wenigen Tagen war es mir nicht möglich eine Honda CBR 600 RR zu fahren. Jetzt: Endlich. Ich durfte meinen sich ausbreitenden Körper hinter das Windshild der scharfen Honda stecken. Und endlich, endlich wieder einmal Asphalt unter den Knien.

Foto: Gabriele Gluschitsch

Die Kniekratzer kennen das eh, das unglaublich feine Gefühl, wenn du mit einer Gelassenheit durch die Kurve ziehst weil du das Gefühl hast, dein eigenes Stützrad behütet dich vor jedem Schaden. Knieschleifen macht süchtig. Da ist Rauchen nix dagegen.

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Trotzdem darf man fast überall auf seinen Knien herumrutschen. Gerade in gehobenen Gastronomiebetrieben ist es ausdrücklich erlaubt, wenn man sich einen Kelch Blubberwein holt und in diesen einen Diamanten wirft, der auf einem Rettungsring aus Platin um sein Leben bangt.

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Um mein Leben bange ich nicht, als ich die Honda in die erste Kurve drücke. Aber um das ihre. Immerhin ist mein letzter motivierter Ausflug mit einem Supersportler schon einige Tage her. Aber die CBR 600 RR ist ja wieder eine typische Honda. Freundlich und zuvorkommend, ja sogar galant möchte ich sagen.

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Supersportler haben auf der normalen Straße zumeist das Problem, dass sie schon beim Starten das Gefühl vermitteln, hier nicht herzugehören. Honda hat die CBR 600 RR schon ganz bewusst so ausgelegt, dass sie sich nicht nur auf der Rennstrecke daheim fühlt, sondern auch beim Wochenend-Hatzerl eine Freude macht.

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Einer der Gründe liegt natürlich darin, wie Honda die Massen zentralisiert, ein weiterer im Lenkungsdämpfer, ohne den ja heute kaum noch ein Supersportler auskommt.

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Durch den arttypischen Lenkkopfwinkel, der so ausgelegt ist, dass die Sportlerin extrem leicht auch um schnelle enge Kurven geht, haben diese Motorräder nicht den stoischen, hartnäckigen Geradeauslauf eines Cruisers und brauchen deshalb einen kleinen Helfer, der dafür sorgt, dass es dir nicht bei 250 km/h samt Bodenwelle den Lenker aus der Hand reißt.

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Jetzt haben Lenkungsdämpfer aber die blöde Eigenheit, dass sie sich, wenn sie das Lenkerflattern bei 250 km/h unterbinden, bei niedrigen Geschwindigkeiten ein wenig bockig anfühlen. Dreht man ihn so weit auf, dass er auch im Low-Speed-Bereich nicht stört, hilft er einem beim Top-Speed wieder nichts.

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Honda hat der CBR 600 RR einen elektronischen Lenkungsdämpfer spendiert, der bei hohen Geschwindigkeiten zu macht, und bei niedrigen Geschwindigkeiten komplett offen ist. Damit hat man im Stadtverkehr oder in Kehren den Vorteil des agilen Handlings, muss aber auf der Zielgeraden auch bei unebenen Asphalt oder hilflosem und panischem Klammern am Lenker keine Abstriche machen. Deppensicher und damit ideal für Fahrer wie mich.

Foto: Gabriele Gluschitsch

Gerade im Handling überzeugt die 600er-Supersportlerin auf ganzer Linie. Alles geht so leicht und einfach, als ob man schon immer auf der CBR gesessen wäre.

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Sie zickt nicht herum, ihr fehlt das Störrische, und sie hat trotzdem schon ein ordentliches Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich. Aber wehe, man dreht sie dort hin, wo der Tourenzähler zweistellig wird. Da zeigt sie Muskeln, packt all ihre 120 PS mit einer Vehemenz über die Kette ans Hinterrad, dass einem unterm Helm nach einem Jodler zu mute wird.

Foto: Gabriele Gluschitsch

Ja, es mag sein, dass die Konkurrenz ein paar PS mehr aufs Datenblatt zaubert und einen Tick höher komprimiert, aber wer merkt diesen Unterschied schon auf der Straße? Hier geht es doch darum spät bremsen und früh ans Gas gehen zu können. Und dafür ist ein gutes Handling wichtiger als ein oder zwei PS.

Foto: Gabriele Gluschitsch

Nicht ein oder zwei, sondern gleich drei neue Farben bringt Honda 2011 für die CBR 600 RR. Die knackigste ist sicher Vibrant Orange/ Precious Grey Metallic wie am Testmotorrad. Puristen greifen zum Graphit Black, die Ästheten zu Ross White/ Candy Tahatian Blue.

Foto: Gabriele Gluschitsch

Honda CBR 600 RR

Motor: 4 Zylinder-4-Takt-Motor, 16 Ventile | Hubraum: 599 ccm | Leistung: 88,1 kW (120 PS) bei 13.500 U/min | Drehmoment: 66 Nm bei 11.250 U/min | Kraftübertragung: 6 Gänge, Kette | Radaufhängung vorne: 41 mm USD-Gabel, vollverstellbar | Radaufhängung hinten: Unit-Pro-Link-Alu-Schwinge, vollverstellbar | Bremse vorne: Doppelscheibenbremse, Ø 310 mm, radial montierte 4-Kolben | Bremse hinten: Einscheibenbremse, Ø 220 mm, 1-Kolben-Schwimmsattel | Reifen vorne: 120/70 ZR17M/C | Reifen hinten: 180/55 ZR17M/C | Gewicht vollgetankt: 184 kg | Sitzhöhe: 820 mm| Preis: ab 13.290 Euro (Aufpreis für C-ABS: 1.200 Euro)

+ Endlich ein Supersportler, mit dem man auch einmal am Wochenende auf der Landstraße fahren, tags darauf aber wieder auf der Rennstrecke an Zehntelsekunden feilen kann.

- Während des Tests verabschiedete sich das ABS - was aber daran liegt, dass die CBR kurz vor dem Test auf der Rennstrecke war, wo das ABS abgeklemmt wurde.

Foto: Gabriele Gluschitsch