Mit seinen 84 Jahren ist Leo Luster noch einer der jüngsten und rührigsten Funktionäre des "Zentralkomitees der Juden aus Österreich in Israel". Ehrenamtlich setzt er sich mehrmals in der Woche in ein enges, schäbiges Kellerbüro in Tel Aviv, um Akten durchzuschauen, mit österreichischen Behörden zu korrespondieren und Ratsuchende zu empfangen. Gerade vor dem israelischen Holocaust-Gedenktag, der auf heute, Montag, fällt, fühlen sich die österreichischen Überlebenden von der alten Heimat vor den Kopf gestoßen. "Die Leute, der letzte Zug der Holocaust-Opfer, die noch am Leben sind, die haben gehofft, dass etwas noch gutgemacht werden kann, und jetzt ist es die große Enttäuschung für uns, dass wir das nicht bekommen haben", klagt Luster im Gespräch mit dem Standard.

Dabei hatte man sich vor zwei Jahren über eine mühsam erkämpfte Änderung des österreichischen Gesetzes gefreut, berichtet der gebürtige Wiener, der als Jugendlicher Auschwitz überlebt hat. Nunmehr können auch Personen, die zwischen 1938 und 1945 geboren wurden, in Österreich Pensionszeiten nachkaufen, wenn sie von vertriebenen österreichischen Eltern abstammen und wenn sie "als Verfolgte gelebt haben", wie es im Gesetzestext heißt. Diese neue Möglichkeit wurde in Israel bekanntgemacht, etwa von der österreichischen Botschaft und von der israelischen Sozialversicherung. Die kleine Vertreter-Organisation begann, die Anträge zu sammeln. "Es war eine große, große Arbeit, weil wir viele Dokumente vorlegen müssen, dass ein Elternteil aus Österreich gekommen ist. Wie jeder weiß, ist ein großer Teil der Einwanderer hier illegal eingewandert, die mussten, gleich als sie hergekommen sind, ihre Dokumente vernichten, damit sie nicht den Engländern in die Hände fallen konnten."

Doch wer nicht mitspielte, war die österreichische Pensionsversicherungsanstalt. Sie lehnte bei allen Antragstellern, die im Gebiet des nunmehrigen Israel geboren sind, die Begünstigung ab. Begründung: Sie lebten "in einem Land, in dem eine Verfolgung im Sinne des Gesetzes nicht vorlag". Für Luster ist das eine "falsche Auslegung". Das damalige britische Mandatsgebiet Palästina, in das sich wenige österreichische Juden retten konnten, sei "kein freies Land" gewesen: "Es wurde hier wirklich verfolgt, die Engländer haben uns kein leichtes Leben gemacht - wer erwischt worden ist, wurde in ein Anhaltelager gebracht."

Die Betroffenen verstehen nicht, wieso Österreich das Gesetz zunächst zu ihren Gunsten geändert hat, sie aber jetzt gegen eine Wand laufen lässt. Dabei geht es um keine großen Summen. Strittig sind nur ungefähr 90 Fälle. Wenn diese Menschen die Pensionszeit nachkaufen könnten, dann stünde jedem eine Rente von rund 250 Euro im Monat zu. Inzwischen wurden die Berufungen schon in zweiter Instanz durch den Landeshauptmann abgewiesen, den Alt-Österreichern bleibt nur noch der kostspielige Weg zum Verwaltungsgerichtshof. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2011)