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Manch Bürger verließ 1989 sein "Nest" in der in Auflösung befindlichen Deutschen Demokratischen Republik.

Foto: AP/Settnik

Salzburg - Im Salzburger Pongau hängt viel, wenn nicht alles, am Tourismus. In manchen Gemeinden werden 75 Prozent der Wirtschaftsleistung mit dem Fremdenverkehr erbracht. Kommt es zu einem Personalengpass, dann wird das für viele Betriebe - aber auch für ganze Talschaften - schnell existenzbedrohend.

Im Jahr 2003 habe man diesen Punkt erreicht, erzählt Thomas Burgstaller, Leiter des Arbeitsmarktservice in Bischofshofen. Mit dem Kontingent von rund 800 Arbeitskräften aus Drittstaaten außerhalb der EU - bei insgesamt etwa 10.000 Beschäftigten - für die Wintersaison sei man einfach nicht mehr über die Runden gekommen. Der boomende Wintertourismus drohte am Personalmangel zu kollabieren.

AMS und Wirtschaftskammer entschlossen sich zu einem radikalen Schritt: Auf der Suche nach "qualifizierten und arbeitslosen" Tourismusmitarbeitern im EU-Raum wurden Burgstaller und die Pongauer Hoteliers in Ostdeutschland fündig. Konkret auf der Insel Rügen. Deren Tourismusstruktur ist zum Pongau quasi spiegelverkehrt: Dem starken Sommer auf Rügen steht eine schwache Wintersaison gegenüber. In Salzburg dominieren die Wintergäste, der Sommer läuft für die Mehrheit der Betriebe eher flau.

Jobmessen in Deutschland

AMS und Unternehmer haben in Deutschland richtiggehende Jobmessen veranstaltet. Wobei die Assoziation eines Sklavenmarktes laut Burgstaller völlig falsch sei. Es war vor allem Aufgabe der Betriebe, sich für die Köche und Kellner attraktiv zu präsentieren - quasi per Speeddating, um Mitarbeiter zu werben.

Dazu werden noch eigene Hochglanz-Werbebroschüren für "Tourismus-Jobs in Austria Salzburger Land" aufgelegt. Die Gestaltung und Textierung lässt erahnen, wie dringend die Unternehmen Personal brauchen. Geworben wird mit "überdurchschnittlichem Lohn, fairem Trinkgeldsystem und freier Kost und Logis" sowie mit der Möglichkeit für vergünstigte Skipässe oder die Gratis- Benutzung von Sportanlagen.

Die Idee hat sofort eingeschlagen: Binnen zwei Stunden waren im Jahr 2003 einhundert Jobs vermittelt. 2009 kamen bereits acht- bis neunhundert Tourismusfachkräfte aus Ostdeutschland in den Pongau.

Vergangene Saison waren rund eintausend Deutsche im Pongauer Fremdenverkehr beschäftigt. Aus allen anderen EU-Staaten zusammen kamen nur knapp doppelt so viele Arbeitskräfte.

Dass die Jobs in Österreich für die Deutschen so attraktiv sind, erklärt sich laut Burgstaller nicht zuletzt mit der vergleichsweise besseren Entlohnung. Im Salzburger Wintertourismus kämen Fachkräfte auf 1300 Euro netto im Monat - zuzüglich Sonderzahlungen und Quartier. Auf Rügen würde für die gleiche Tätigkeit deutlich weniger gezahlt: "Ein Koch verdient dort im Schnitt 1000 Euro - und das nur zwölfmal im Jahr", erklärt Burgstaller.

"Krisenintervention"

Viele deutsche Saisonniers würden mit siebentausend Euro oder mehr in der Tasche im Frühjahr wieder die Heimreise antreten. Freilich ganz problemlos ist die Anwerbung von Ostdeutschen nicht immer, weiß auch Burgstaller.

Anfangs habe rund ein Fünftel den Job wieder hingeschmissen. Die neu geworbenen Arbeitskräfte waren freilich von so großer Bedeutung, dass Kammer und AMS sogar eine "Kriseninterventionsstelle" eingerichtet haben, um die Drop-out-Rate zu senken. Mit Erfolg: Aktuell liege die Ausfallsrate bei etwa zehn Prozent, berichtet Burgstaller. Eines der wesentlichsten Motive, Österreich wieder zu verlassen, sei in der Topografie des Alpenlandes zu suchen.

Menschen, welche die weiten Ebenen Norddeutschlands und den freien Blick bis zum Horizont gewohnt seien, hätten mit den hohen Bergen, den engen Tälern Probleme. Sie fühlten sich "vom Berg erdrückt".

"Topfen oder Quark"

Auch "Heimweh" sei für die mehrheitlich noch relativ jungen Menschen ein Thema. Die deutschen Mitarbeiter hätten während der bis zu sechs Monate dauernden Saison kaum die Möglichkeit, einen Heimaturlaub anzutreten. Dem sprachlichen und mentalen Unterschied begegnen die Pongauer Touristiker mit speziellen Trainingsprogrammen.

Ganz oben auf der Agenda stehen dabei Themen wie "die Eigenheiten der Österreicher". Und ganz im Sinn von Karl Kraus, wonach das Einzige, was die Österreicher und die Deutschen trenne, die deutsche Sprache sei, steht dabei die Sprachkompetenz im Mittelpunkt. (Thomas Neuhold, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 30.4.2011)