Wien - Wer meinte, die Aufräumarbeiten in der ÖBB wären in der Bilanz 2009 nach dem Spekulationsdebakel (bei dem die ÖBB per Saldo rund 300 Millionen Euro versenkte) erledigt worden, irrt. Die Bilanz 2010 wurde nicht minder tiefrot. Wohl ist das Betriebsergebnis (Ebit) des Konzerns mit 254,8 Millionen Euro positiv. Das mit 584,5 Mio. Euro negative Finanzergebnis färbte das Ergebnis vor Steuern mit 329,8 Mio. Euro tiefrot. Unterm Strich weist der ÖBB-Konzern einen Verlust von 338 Mio. Euro aus.

Schuld sind massive Abwertungen in der Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA), allen voran bei der - bis 2009 trotz Wirtschaftskrise und massiven Frachtverlusts mit rund 350 Mio. Euro in den RCA-Büchern eingestellten - ungarischen RCA-Tochter RCH (ehemals MávCargo). Auch in Rumänien, Griechenland und Italien baute RCA veritable Verluste. Den Rest besorgten Abschreibungen auf das Anlagevermögen und Sondereffekte. Hinter letzterem verbergen sich Zahlungen von Steuerschulden für ermäßigte Eisenbahner-Zugtickets und für zu viel einbehaltenes Pflegegeld. Für diese beiden Posten waren 2009 zu niedrige Vorsorgen gebildet worden, nun mussten 84 Mio. Euro nachgeschossen werden.

Als besorgniserregend empfindet man auf Eigentümerseite, dass nach dem Güterverkehr auch der Personenverkehr (PV) Einbußen verzeichnete. Der Umsatz brach um 17 Prozent auf 1,72 Milliarden Euro ein, das Vorsteuerergebnis (EBT) von 167 Mio. Euro auf minus 13. Verglichen mit RCA ist die Eigenkapitalquote im PV mit 17 Prozent freilich komfortabel. RCA hat weniger als nichts, laut internationalen Bilanzregeln IFRS exakt 1,1 Prozent. Laut der in Österreich maßgeblichen UGB-Bilanz sind es immerhin 14 Prozent - noch ein Stück entfernt von den konkursrelevanten acht Prozent. Die Eigenkapitalquote des Konzerns beträgt 6,9 Prozent.

Klar ist, warum ÖBB-Holding-Chef Christian Kern die Ansage "Wir müssen unsere Hausaufgaben machen", mehrfach betont hat: Die erhoffte Kapitalerhöhung für RCA um mindestens 200 Mio. Euro kommt definitiv nicht. Erst müsse die RCA-Sanierung gelingen. Das soll bis 2015 der Fall sein (mit 83 Mio. Ergebnisbeitrag), ab 2013 verspricht man schwarze Zahlen. Das Projekt "Fit 2015" mit 26 Leitprojekten sei auf Schiene. Um Neokonkurrent Westbahn-GmbH Paroli zu bieten, soll der Schnellzug Railjet ab Dezember auch auf der Südbahn düsen.

Dass die operativ eingefahrenen Verluste mittels neuer Schulden finanziert würden, schloss Kern aus: "Die Verluste fressen das Eigenkapital auf." Es gebe keine Speckpolster in Form extra hoch angesetzter Rückstellungen. 2011 will die ÖBB knapp 50 Mio. Euro EBT ausweisen. Die Zahl der Beschäftigten soll mittelfristig "unter 40.000". (ung, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 30.4.2011)