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Gilt als leidenschaftlicher Verfechter der Pressefreiheit: Der britische Medienrechtler Mark Stephens (li.), der auch Wikileaks-Gründer Julian Assange verteidigt.

Foto: REUTERS/Toby Melville

STANDARD: Ist Wikileaks Journalismus?

Mark Stephans: Ich glaube, es spielt keine Rolle, wie man das macht, wenn man Informationen für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Es wird bei Wikileaks bis zu einem gewissen Grad redaktionelle Auswahl getroffen, es werden redaktionelle Bearbeitungen vorgenommen. Das ist alles Journalismus. Es gab eine Zeit, als die geniale Maschine, die Julian Assange geschaffen hat, eine Pipeline war, in die Informanten etwas hineinstellen konnten. Das wurde anonym publiziert. Das ist nicht mehr der Fall. Jetzt werden alle Informationen verifiziert, die afghanischen Warlogs, die Cables, die Videos wurden bei Behörden gegengecheckt. Das ist eine journalistische Aufgabe, wie sie Journalisten unternehmen. Ob man Journalismus in der traditionellen oder moderneren Art betreibt: Journalismus verändert sich, es wird eine neue Weltordnung geben.

STANDARD: Sie haben in Perugia das Problem unterschiedlicher Mediengesetze angesprochen. Halten Sie ein einheitliches Medienrecht in Europa für sinnvoll?

Stephans: Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist. Wir bekommen es auf eine Art - durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Aber nicht alles ist gut, was dort passiert. Etwa das Urteil über Privatsphäre (Caroline-Urteile). Immer, wenn ich in Straßburg bin, wie zuletzt für ein Colloquium mit Richtern, sage ich denen, es gibt Fälle anderswo, die besser behandelt und argumentiert werden. Etwa vor dem Interamerikanischen Gericht. Im Sinne der Pressefreiheit. Wir sind leider an Straßburg gebunden.

STANDARD: Was kritisieren Sie konkret an Straßburg, was ist anderswo besser im Sinne der Pressefreiheit?

Stephans: Einige der europäischen Richter sind mit der Tradition aufgewachsen, dass man Privatsphäre auf jeden Fall schützen muss. Heuer musste ich intervenieren in einem Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, in dem es um journalistische Quellen ging. Wenn man Straßburg anruft, kann es sein, dass sich die Reichen und Mächtigen durchsetzen und die Rechte, für die wir so hart gekämpft haben, erodieren.

STANDARD: Julian Assange strebte einen Medienfreihafen in Island an mit möglichst keinen Regulierungen. Was halten Sie davon?

Stephans: Ich hatte damit nicht so viel zu tun. Aber es soll ein Offshore-Hafen insbesondere für Online-Medien werden. Das kann auch ein attraktiver Wirtschaftszweig werden. Wikileaks ist eine starke, nicht nationale Organisation und steht in starkem Kontrast etwa zu Al-Jazeera oder Openleaks, die mehr im Fokus nationaler Gerichte stehen. Wikileaks ist viel schwieriger zu stoppen. Wenn es in einem Land gestoppt wird, poppt es in einem anderen auf. Der Informationsfluss geht weiter. Das ist eine Herausforderung für Regierungen in der Zukunft, wie man eine nicht nationale Organisation reguliert. Es gibt einige Kontrollmechanismen, aber die Frage ist, wie kann man sie anwenden. Julian Assange will keine laufende Operationen gefährden oder das Leben Einzelner. Das hat er immer gesagt.

STANDARD: Können Sie etwas zum Auslieferungsbegehren Schwedens wegen Vergewaltigung sagen?

Stephans: Nein, das kann ich nicht. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD; Printausgabe, 20.4./1.5.2011)