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ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm (li.) und Maria Fekter, die als erste Finanzministerin der Republik Geschichte schreibt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH/HERBERT PFARRHOFER

Es gab schon mal rosigere Zeiten für die ÖVP-Frauen. Negativ-Schlagzeilen wie jüngst durch das Tiroler ÖVP-Video "Zukunft gestalten" oder das Interview mit Interims-Familienstaatssekretärin Remler, in der sie den Feminismus als "Fanatismus" bezeichnete, sind gerade erst verhallt. Auch inhaltlich stellt sich die Frage, wohin es die ÖVP gesellschaftspolitisch eigentlich zieht. Denn in der jüngsten Obsorge-Debatte hat sich die Volkspartei in Solidarität mit Justizministerin Bandion-Ortner eher als Männer-Partei profiliert als anders herum - mit Beifall der ÖVP-Frauen. Nun wurde ihnen bei der letzten Regierungsumbildung auch noch das Familienstaatssekretariat gestrichen und damit auch ein großes Stück Handlungsspielraum.

ÖVP-Frauen geschwächt

Eine Sicht, die die ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm so nicht gelten lassen will. Sie sei zwar "wehmütig" gewesen, dass es das Familienstaatssekretariat nicht mehr gibt, aber inzwischen hatte sie auch nochmal Zeit, darüber nachzudenken. "Wenn Familienpolitik Chefsache wird, ist das auch positv zu sehen, jetzt kümmern sich Vizekanzler Spindelegger und der Familien- und Wirtschaftsminister Mitterlehner um die Familienagenden."

Um sich zu profilieren, seien die ÖVP-Frauenpolitikerinnen jedenfalls nicht auf das Familienstaatssekretariat angewiesen, meint Schittenhelm. Dies sei in vielen Bereichen möglich, "zum Beispiel im Parlament bzw. in meiner Funktion als Bundesleiterin der ÖVP-Frauen." Und prinzipiell würden Politikerinnen sich nicht allein dadurch bemerkbar machen, welche Ämter sie bekleiden, sondern durch die Arbeit und ihre Grundsätze, für die sie stehen.

So mag es von innen aussehen, in der Außenwahrnehmung hat die ÖVP ein wichtiges Sprachrohr für frauen- und familienpolitische Anliegen verloren, das sieht auch die Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger so. "Es gibt jetzt auf Seiten der ÖVP niemanden mehr, der auf Augenhöhe mit der Frauenministerin über frauen- und familienpolitische Positionen diskutiert", stellt sie gegenüber dieStandard.at fest.

Familienpolitik als Chefsache

Mit der Zeit wird sich weisen, ob der Sager von der "Familienpolitik als Chefsache" ernst gemeint war, oder eher als Schutzbehauptung zu verbuchen sein wird. Die ÖVP-Frauensprecherin wünscht sich jedenfalls eine enge Zusammenarbeit mit dem  Vizekanzler bei frauen- und familienpolitischen Themen,  wie zum Beispiel eine Steuererleichterung für Familien mit Kindern und die Umsetzung der Frauenquote bei politischen Positionen.

Im Frauenministerium, das am stärksten mit dem Staatssekretariat zusammengearbeitet hat, steht man dessen Abschaffung bis dato gelassen gegenüber. "Für mich ist die Hauptsache, dass es eine moderne Familienpolitik gibt", so die Frauenministerin. Und mit dem zuständigen Familienminister Mitterlehner habe die Zusammenarbeit immer gut funktioniert. Dieser spreche sich auch klar für mehr Sach- und weniger Geldleistungen in der Kinderbetreuung aus, was die Frauenministerin begrüßt.

Zankapfel Gemeinsame Obsorge

Beim Thema "gemeinsame Obsorge" hat sich Heinisch-Hosek vermutlich mehr über den Wechsel bei der Verhandlungspartnerin gefreut. Die ÖVP, allen voran Familiensprecherin Ridi Steibl, stand bis zuletzt hinter Bandion-Ortner, ungeachtet dessen, dass diese sich den Groll sämtlicher Fraueneinrichtungen zugezogen hatte, nachdem deren Expertise zwar angefordert dann aber systematisch ignoriert wurde. "Kinder haben ein Recht auf Vater und Mutter", entgegnet Schittenhelm, ihr gehe es vor allem um das "Wohl des Kindes". Und selbstverständlich sollten Mütter, die Bedenken über die Verlässlichkeit des Vaters zur gemeinsamen Obsorge hätten, weiterhin bei den Gerichten Gehör finden.

Erste Finanzministerin Österreichs

Immerhin, in einem Bereich der Gleichstellungspolitik ist die ÖVP Einserschülerin: Sie stellt seit Jahren die meisten Frauen in Regierungspositionen und mit Maria Fekter die erste Finanzministerin der Republik. Dementsprechend stolz ist Schittenhelm auch darüber und kritisiert, dass diesem Umstand in den Medien bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Für Rosenberger hängt dies damit zusammen, dass in West- und Mitteleuropa eine gewisse Normalisierung im Hinblick auf Politikerinnen eingesetzt hat. "Wir haben inzwischen Außenministerinnen, Innenministerinnen und in Deutschland sogar eine Kanzlerin. Die Bevölkerung weiß heute, dass Frauen alle Ressorts führen können." Zum anderen hätte sich Fekter nie als prononcierte Frauenpolitikerin hervorgetan, weshalb es falsch wäre, dies nun als "Sieg der Frauenpolitik" zu feiern.

Der Einfluss des Finanzressorts auf die Geschlechterverhältnisse wird von ExpertInnen als enorm hoch eingeschätzt. In Österreich ist die Verpflichtung zu Gender Budgeting, also die Überprüfung des Haushalts auf seine Wirkungen für die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, seit 2009 in der Verfassung festgeschrieben, ab 2012 soll allerdings erst der Testbetrieb für alle Ressorts beginnen. Laut der ÖVP-Frauenchefin brauche man von Ministerin Fekter das Prinzip jedenfalls nicht extra einfordern: "Fekter ist eine, die das längst in ihren Verantwortungsbereichen praktiziert hat."

ÖVP-Frauenpolitik quo vadis?

Die ÖVP war nie eine Partei mit feministischer Agenda und sie ist es auch heute mit einer weiblichen Finanzministerin nicht. Dennoch hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren etwas bewegt in der Partei, beobachtet Rosenberger: "In der ÖVP werden Sie heute niemanden mehr finden, der Frauen und Müttern das Recht auf Berufstätigkeit abspricht. Dieser Schwenk beruht allerdings nicht auf frauenpolitischen Gründen, sondern auf ökonomischen Überlegungen." Heute sei die Notwendigkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen Konsens in der Partei.

Was die Regierungsumbildung in der ÖVP geschlechterpolitisch bedeute, sei zwiespältig zu bewerten: "Einerseits werden die Frauen in der ÖVP mit der weiblichen Besetzung von Spitzenpositionen eindeutig gestärkt, die ÖVP-Frauenorganisation und damit die frauen- und familienpolitische Sichtbarkeit der Partei wurde allerdings geschwächt."

Man dürfe auch nicht vergessen, dass die ÖVP mit der weiblichen MinisterInbesetzung etwas in Angriff nimmt, das in den 1970ern von Feministinnen immer wieder gefordert wurde, nämlich Frauen nicht nur in den "naheliegenden" Bereichen wie Soziales und Familien einzusetzen, sondern auch in den "harten" Ressorts wie Inneres und Finanzen. "In diesem Bereich hat die ÖVP ganz klar die Nase vorn", so Rosenberger abschließend. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 2. Mai 2011)