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Zerbombt: Das beliebte Café Argana.

Foto: Abdeljalil Bounhar/AP/dapd

Die Demokratiebewegung fürchtet, dass die Behörden das Attentat als Vorwand für mehr Repression verwenden.

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Rabat/Madrid - Der Name, der Schrecken auslöst, steht im Raum. "Alle Spuren werden verfolgt, die von Al-Kaida inbegriffen", bekräftigte der marokkanische Regierungssprecher Khalid Naciri am Freitag, einen Tag nachdem eine Bombe das Café Argana am Marktplatz Jamaa al-Fna in Marrakesch zerstört hatte. Die Behörden ermitteln damit dort, wo viele Menschen in Marokko die Täter von Anfang an befürchteten.

Der Sprengsatz in dem beliebten Touristenlokal hatte am Donnerstag 14 Menschen getötet. In der Nacht auf Freitag verstarben zwei der 23 Verletzten. Unter den Todesopfern sind mindestens elf Ausländer, davon zwei Kanadier, zwei Franzosen und eine Niederländerin. Die Identifizierung dauerte am Freitag an. Hinweise auf Österreicher unter den Opfern gab es weiterhin keine.

"Als Tourist in ein Land zu reisen und tot zurückzukehren, ist eine schreckliche Sache" , sagte der marokkanische Finanzminister Salaheddine Mezouar am Freitag und kündigte an, "sehr hart daran zu arbeiten, dass dies keine Folgen für den Tourismus in Marrakesch hat."

Marokkos schwächelnde Wirtschaft ist in Zeiten der Krise mehr auf die Einnahmen aus dem Geschäft mit den Urlaubern angewiesen denn je. Das nordafrikanische Reich von König Mohammed VI. galt bisher als weitgehend sicher. Zwar verhafteten die Polizei in den vergangenen Jahren immer wieder mutmaßliche Terrorzellen, die dem Umfeld dem nordafrikanischen "Al-Kaida im Islamischen Maghreb" zugerechnet wurden, doch kam es seit 2003 zu keinen nennenswerten Gewaltakten. Damals sprengten sich zwölf Selbstmordattentäter in Casablanca in mehreren westlichen und jüdischen Einrichtungen in die Luft und töteten 33 Menschen. Zum Attentat vom Donnerstag hat sich bisher niemand bekannt.

Die Bombe explodierte nur wenige Tage, nachdem zum dritten Mal Zehntausende im ganzen Land für mehr Demokratie und gegen die Korruption auf die Straße gingen. Der König kündigte unter dem Druck der Straße eine Verfassungsreform an und hob Pensionen, Beamtengehälter und Mindestlöhne an. In einer Teilamnestie wurden 96 Inhaftierte freigelassen, viele von ihnen Islamisten. In Marrakesch macht das Gerücht die Runde, einer der Amnestierten habe sich im Café Argana in die Luft gesprengt.

Der nächste Protestmarsch, zu dem die meist aus jungen Menschen bestehende "Bewegung 20. Februar" mobilisiert, ist am 1. Mai. Die Organisatoren hoffen, dass die Regierung den Anschlag nicht nutzt, um die Demonstrationen zu unterdrücken. "Jetzt hat die Regierung freie Hand, um im Namen des ewigen Kampfes gegen den Terrorismus, die versprochene Öffnungen zu minimieren oder zu verweigern" , warnt der Chefredakteur der oppositionellen Internetzeitung "demainonline", Ali Lmrabet.

Verschwörungstheorien

So mancher geht noch einen Schritt weiter. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag eroberten Verschwörungstheorien das Internet. "Der König hat die Bombe bestellt, um uns niederzumachen" , heißt eine der Twitter-Botschaften. Der im spanischen Exil lebende ehemalige Leutnant der marokkanischen Armee, Abdelillah Issou, sucht die Schuldigen in einer Videobotschaft bei Youtube in Geheimdienstkreisen. Das Ziel sei "den Ausnahmezustand ausrufen zu können" .

Mohamed Tozi, Terrorismusspezialist an der Universität Casablanca, will nicht an ein Komplott glauben: "Die Art des Anschlages und das Ziel deutet auf die radikalen Salafisten hin." Al-Kaida habe kein Interesse an einer Demokratisierung der arabischen Länder und habe zudem durch die Demokratiebewegung an Einfluss geworden. "Mit diesem Anschlag versuchen sie, sich zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu bringen" , glaubt er. (Reiner Wandler /DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2011)

 


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