Rom/Wien - Bei der Totenmesse für Karol Wojtyla am 8. April 2005 forderten tausende Gläubige auf dem Petersplatz auf Transparenten und in Sprechchören "Santo su-bito!" (sofort heilig). Heilig wird er nicht sein, aber zumindest selig (beato): Für Johannes Paul II. setzte dessen Nachfolger Benedikt XVI. die seit Jahrhunderten bestehende Regelung außer Kraft, dass Seligsprechungsverfahren frühestens fünf Jahre nach dem Tod eingeleitet werden dürfen: Bereits am 13. Mai 2005 begannen die vatikanischen Mühlen zu mahlen.

Nun, nach sechs Jahren, wird er tatsächlich seliggesprochen - ein solcher Zeitraum ist in kirchlichen Maßstäben gleichbedeutend mit "subito" . Die Kirche betont damit, dass Johannes Paul II. im Sinne von Jesus Christus besonders vorbildlich gelebt hat.

Eine Seligsprechung erlaubt die offizielle Verehrung in bestimmten Regionen oder Gemeinschaften, für Heilige gilt dies weltweit. Eine Verpflichtung zur Verehrung bedeutet eine Selig- oder Heiligsprechung nicht.

Formell muss der Ortsbischof das Verfahren beantragen, was in der Folge vom Kirchengericht geprüft wird. Bei Nichtmärtyrern ist unter anderem der Nachweis eines "Wunders" nötig, im vorliegenden Fall die Heilung einer französischen Nonne von Parkinson.

Die zweitschnellste Seligsprechung war bisher übrigens jene von Mutter Teresa von Kalkutta, die ebenfalls nur etwas mehr als sechs Jahre dauerte. Der bisher letzte österreichische Selige war 2007 der Pazifist Franz Jägerstätter, 1943 von den Nazis hingerichtet. Umstrittenen war die Seligsprechung von Kaiser Karl I. 2004.

Unumstritten ist die Causa auch bei Johannes Paul II. nicht: Vor allem aus Deutschland und den USA wurde Kritik laut. Missbrauchsopfer warfen ihm vor, zu wenig gegen die Verbrechen katholischer Geistlicher gegen wehrlose Kinder und Jugendliche getan zu haben. (Gianluca Wallisch/DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2011)