Ohne Geld und ohne Jobangebot haben Zuwanderer kaum Chancen, legal in Wien zu leben. Vielen bleibt nur noch die "zweite Gruft"

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Wien - Gut 20 Männer warten kurz vor 18 Uhr bereits vor dem Haus. Als die Tür aufgeht, tragen sie sich in eine Liste ein, dann geht es weiter in den ersten Stock. Dort sucht jeder erst einmal nach einem großen schwarzen Müllsack mit seinem Namen drauf.

Naval, rosa Hemd, auf Hochglanz polierte braune Halbschuhe, findet seinen im Vorzimmer. Er hievt die in Plastik verpackten Habseligkeiten sogleich auf den Rücken und begibt sich in einen der schmalen, unmöblierten Schlafräume. „Ich habe von Freunden von diesem Ort gehört", sagt er, holt eine Isomatte aus dem Sack und rollt sie auf dem beigen Kunststoffboden aus. „Ich hoffe, ich finde bald eine Wohnung und einen Job." Der 32-Jährige stammt aus Bukarest.

Kein Job

Vor zwei Wochen kam er nach Wien, er will hier als Bäcker arbeiten. Vorerst ist er allerdings in der „zweiten Gruft" gelandet, jener Einrichtung der Wiener Caritas, in der wohnungslose Nichtösterreicher unterkommen. In der „ersten Gruft" unter der Mariahilfer Kirche haben Ausländer - so wie in allen anderen Obdachloseneinrichtungen der Stadt - laut Sozialhilfegesetz kein Recht auf einen Schlafplatz. In der Hoffnung auf ein besseres Leben kommen dennoch ständig Menschen aus Osteuropa nach Wien.

In der Hauptstadt leben laut Schätzungen rund 300 Nichtösterreicher auf der Straße. Im Winter 2009 richteten Caritas und Fonds Soziales Wien erstmals eine Unterkunft für diese Menschen ein: Der Aufenthaltsraum des Obdachlosenwohnheims St. Josef in Währing wurde zu einem provisorischen Schlafsaal für Zuwanderer umfunktioniert.

Essen und duschen

Jetzt ist die „zweite Gruft" in den Siebten umgezogen, in den ersten Stock des ehemaligen Heims für Asylwerber in der Bernardgasse. Die Notunterkunft soll zumindest bis Mai 2012 dort bleiben - und im Gegensatz zum Haus St. Josef auch im Sommer offen haben. „Der Bedarf an Schlafplätzen ist auch in der warmen Jahreszeit groß", sagt Michael Zikeli, Leiter des Bereichs Asyl und Integration bei der Caritas. 50 Schlafmöglichkeiten für Männer stellt die Caritas zur Verfügung, demnächst sollen zwölf Plätze für Frauen hinzukommen.

Es gibt Essen und Duschmöglichkeiten, um 8 Uhr früh müssen sämtliche Bewohner das Haus verlassen. Die Caritas finanziert das Projekt über Spenden, die Stadt schießt Geld für die Rückkehrberatung zu. Denn einem Gutteil der Klienten wird die baldige Heimreise nahegelegt. „Wir müssen vielen Leuten die Träume rauben", sagt Zikeli. Schlecht ausgebildet und ohne Geld haben sie kaum eine Chance, sich in Österreich eine Existenz aufzubauen. Die meisten kommen aus Rumänien und Bulgarien. Nach drei Monaten endet ihr legaler Aufenthalt, dann müssen sie zumindest kurz ausreisen. In Österreich arbeiten könnten sie nur, wenn sie sogenannte Schlüsselarbeitskräfte wären.

Stefan aus Tschechien könnte theoretisch ab 1. Mai legal in Österreich arbeiten. Denn dann endet die Übergangsfrist für die 2004 beigetretenen EU-Länder. Der 60-Jährige macht sich trotzdem keine allzu große Hoffnungen auf einen neuen Job. „Ich bin doch schon viel zu alt", sagt der gelernte Schlosser, der 1990 nach Wien kam, „mich nimmt doch keiner mehr." Sozialhilfe kann er auch keine beziehen, denn er war in den letzten vier Jahren nicht durchgehend in Wien gemeldet. Und so verbringt er seit Wochen jede Nacht in der „zweiten Gruft".
 (DER STANDARD Printausgabe, 28.4.2011)