Chancen zu erkennen gehört zum politischen Geschäft. Der SPÖ hat sich unverhofft eine Chance eröffnet: Beim Asyl- und Fremdenrecht und beim Thema Integration könnte sie die Absichtserklärungen des neuen Chefs ihres Koalitionspartners, Vizekanzler Michael Spindelegger, ernster nehmen als die ÖVP selbst. Und sich als Neuerer in einer verfahrenen Debatte profilieren.

Spindelegger hatte angedeutet, dass die Behandlung des Ausländerthemas in Österreich einen liberaleren Stil und ebensolche Inhalte brauche. Neo-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihr Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz teilen diese Ansicht nicht. Die Fremdenrechtsnovelle sei ein "gutes Gesetz", meinte Mikl-Leitner nur.

Doch "gut" ist diese Novelle keineswegs, sondern - ganz im Gegenteil - ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Spaltung der österreichischen Gesellschaft. Zur Spaltung in Inländer mit vollen Rechten und Ausländer mit nur Teilrechten - und zur Aufspaltung der Einwanderer in verschiedene Klassen dazu. Jene, die die geforderten Deutschniveaus nicht schaffen, werden von langfristigen Niederlassungsbewilligungen ausgeschlossen bleiben, andere, Willkommenere, müssen die Sprache erst gar nicht lernen.

Dazu könnte die SPÖ jetzt - sozusagen mit Spindelegger - Nein sagen, so wie es mehrere oberösterreichische Mandatare angekündigt haben. Doch Chancen haben und sie ergreifen sind zwei Paar Schuhe. (Irene Brickner, DER STANDARD; Printausgabe, 27.4.2011)