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Demonstranten vor der syrischen Botschaft in Nikosia auf Zypern: Bashar al-Assad, blutbefleckt neben seinem Vater Hafiz.

Foto: Petros Karadjias/AP/dapd

Damaskus/Wien - "Ma fi ghayru", weil kein anderer da ist, war in Syrien im Jahr 2000 eine Antwort auf die Frage, was Bashar al-Assad als Präsidenten und Nachfolger seines Vaters qualifiziere. Der Biograf von Hafiz al-Assad, Patrick Seale, meinte, dem "kid" - Bashar war damals 34 - fehle der nötige "Killerinstinkt", um in Syrien an der Macht zu bleiben, berichtet der israelische Syrien-Experte Eyal Zisser. Er selbst zeigte sich jedoch davon überzeugt, dass die Strippenzieher in Syrien Bashar ganz bewusst gewählt hatten, zur Abwehr aller internen und externen Gefahren für das Regime, aber auch, weil Bashar selbst keine Gefahr für sie darstellte.

Bashar al-Assads Killerinstinkt würde Seale heute wohl anders bewerten, aber dass der heute 45-Jährige Syrien auch jetzt noch nicht alleine beherrscht, sehen noch immer alle Experten so. In der Oligarchie Syrien gibt es verschiedene Rollen. Als PR-Figur wirkte Bashar - auch dank seiner sehr beliebten Frau Asma, einer weltoffenen Bankerin, die er in London kennenlernte - nach innen lange gut. Jung, selbst bekennendes Mitglied der Internetgeneration, freundlich, ohne Berührungsängste und mit wenig (sichtbarer) Security, war er das moderne Gesicht - eines Uralt-Regimes.

Typischerweise richteten sich die ersten Proteste vor allem gegen korrupte mächtige Familienmitglieder, wie den Geschäftsmann Rami Makhlouf, Cousin Bashars aus der Mutterfamilie, oder Maher, Bruder und Chef der Nationalgarde, oder die Shawkats - Bashars Schwester Bushra und ihr mächtiger Mann, General Assef. Eine bunte Mafiafamilie.

Bashar al-Assad selbst war ja nicht zum Regieren vorgesehen. Als sein - viel instabilerer - älterer Bruder Basil 1994 bei einer Raserei auf der Flughafenautobahn in Damaskus zu Tode kam, war der junge Doktor Bashar inmitten einer Augenfacharzt-Ausbildung in London. Er wurde zurückbeordert und ins Militär gesteckt, dort "low profile" gehalten, um nicht die Spitzen von Militär und Geheimdienst zu verschrecken, die sich erst langsam damit abfinden mussten, dass Hafiz, seit 1970 an der Macht, wild entschlossen war, das Präsidentenamt in der Familie zu vererben.

Die Übergabe nach dem plötzlichen Tod des Alten im Juni 2000 ging glatt - das Mindestalter des Präsidenten wurde in der Verfassung auf 34 herabgesetzt, damit alles seine Ordnung habe -, und mit Bashar zog damals auch die Hoffnung in Damaskus ein: Das dauerte aber nur ein Jahr, danach ließ Bashar al-Assad oder die, die ihn steuerten, den "Damaszener Frühling" und eine wachsende Demokratiebewegung niederschlagen. In den folgenden Jahren beschränkte sich die Öffnung auf die Wirtschaft, politischer Dissens wurde verfolgt.

Schon 2001, wie jetzt wieder, waren die Demokratiewilligen "Agenten des Westens", im Dienst der Feinde Syriens, die die Stabilität zu untergraben versuchten. Das rechtfertigt alles - wobei das alte Wort gilt, dass unter Paranoia Leidende manchmal tatsächlich verfolgt werden.

Paranoid mit vielen Feinden

Denn Feinde hat das Regime zuhauf: zu kurz Gekommene aus den eigenen Reihen (wie Hafiz' Bruder Rifaat), die Muslimbrüder, denen das Regime durch das Bombardement der Stadt Hama 1982 den Garaus zu machen versuchte und denen die alawitische Glaubensgemeinschaft, denen die Assads und viele andere Regimemitglieder angehören, ein Grauen ist. Und natürlich ist da der Nachbar Israel, der unter der syrischen Unterstützung von palästinensischen Terrorgruppen und der schiitischen Hisbollah im Libanon leidet - aber davon abgesehen auch gerne den Golan behalten würde, den Syrien im Krieg 1967 verlor und Israel 1981 de facto annektierte.

Nicht explizit Feinde, aber auch nicht wirklich Freunde sind viele arabische Staaten, denen Syriens Bündnis mit dem Iran viel zu weit geht. Vergeblich versuchten die USA zuletzt durch eine Annäherungspolitik Syrien aus der iranischen Umarmung zu lösen. Offenbar sieht sich Syrien zu schwach, um auf dieses strategische Asset verzichten zu können. (Gudrun Harrer, STANDARD-Printausgabe, 27.04.2011)