Intendant Roland Geyer: "Es wäre mein Wunsch, dass sich die Wiener Festwochen nicht mehr bei uns einmieten."

Foto: Lukas Beck

Standard: Zuletzt sind Sie als Kandidat für die Bregenzer Festspiele ins Gerede gekommen. Ein interessanter Job?

Geyer: Es gab einmal eine konkrete Anfrage, ob ich es mir vorstellen könnte. Mehr gibt es dazu nicht. Es ist keine Frage für mich, dass ich meinen Vertrag hier, der bis 2015/16 läuft, erfüllen werde. Das wissen alle. Kein Angebot der Welt könnte mich reizen, das vorher zu beenden. Bis dahin habe ich 100 Opernproduktion gezeigt und die Intendanz zehn Jahre lang gemacht. Ich bin jetzt aber 58, und ich muss bis Ende 2012 entscheiden, den jetzigen Vertrag zu kündigen, denn dieser verlängert sich sonst automatisch bis 2019.

Also muss ich bis Ende des nächsten Jahres wissen, wie ich meine Karriere fortsetzen will. Ich bin ja hier am Theater an der Wien Gründungsintendant, ich habe auch viel Glück gehabt, bin dem Schicksal und natürlich auch dem Bürgermeister dankbar - er hat schließlich das finale Wort bei meiner Bestellung gehabt.

Standard: Das Stagionekonzept Ihres Theaters funktioniert?

Geyer: Ich bin jetzt im fünften Jahr, und es ging viel schneller, als ich dachte. Am Anfang war es eine schwierige Zeit, ich habe vermutet, wir würden drei bis vier Jahre brauchen, um das Konzept zu etablieren. Dann sind einige Dinge aufgegangen, und 2009 war schon ein Quantensprung. Wir haben jetzt 5000 Abonnenten, das Premierenabo für die nächste Saison ist praktisch ausverkauft.

Dennoch wird es spannend: Wir werden ja in der nächsten Saison keinen Domingo, keine Bartoli und keinen Harnoncourt haben - sie kommen in der übernächsten wieder. Also wird sich jetzt zeigen, ob das Publikum auch ohne dieser Superstars kommt, einfach, weil es sagt: Toll, was ihr da an Produktionen präsentiert. Bis Ende Mai wird sich das herausstellen.

Standard: Produktionen, die Sie hervorheben möchten?

Geyer: Da wäre Brittens Turn of the Screw. Es ist die erste Produktion für Robert Carsen, bei der er Regie, Ausstattung und Licht verantwortet. Dann ist die Uraufführung von Lera Auerbachs Gogol mit Bariton Bo Skovhus wesentlich, bei der Vladimir Fedoseyev dirigiert und Christine Mielitz inszeniert, die in Wien oft unter ihrem Wert geschlagen wurde. Und ich freue mich, dass Kirill Petrenko, für mich der genialste Dirigent seiner Generation, Tschaikowskys Iolanta betreut. Dass Hamlet von Marc Minkowski mit den Wiener Symphonikern erarbeitet wird, möchte ich auch hervorheben. Wie auch, dass Regisseur Claus Guth mit L' Orfeo einen Monteverdi-Zyklus beginnt.

Standard: Sonst noch interessante Regisseure?

Geyer: Das Werk sage ich noch nicht, aber eines kann ich verraten: Regisseur Peter Konwitschny inszeniert erstmals bei uns in der übernächsten Saison. Darauf bin ich sehr stolz.

Standard: Und etwas ganz Unübliches? So jemand wie Tenor Rolando Villazón, der in Lyon "Werther" inszeniert hat, wäre nicht interessant?

Geyer: Man muss abwarten. Er hat Werther offenbar autobiografisch angelegt, so etwas gelingt nur einmal, da gibt es viele Beispiele.

Standard: Die Wiener Festwochen überlegen ab 2013 eine Konzeptänderung, die womöglich eine Auslagerung des Musiktheaterprogramms nach sich ziehen könnte. Das Theater an der Wien würde dann mehr Oper selbst produzieren können, da die Wiener Festwochen als Mieter wegfielen?

Geyer: Es wäre mein Wunsch, dass sich die Festwochen nicht mehr bei uns einmieten. Mein Angebot wäre, dass wir mit den Festwochen ab 2014 im Mai eine Oper koproduzieren. Unser Problem ist ja: Wir spielen im Moment auch im Sommer, aber zu der Zeit verlagert sich die Aufmerksamkeit auf andere Orte. Das ist nicht zu ändern. Also würde ich im Sommer ab 2014 gerne pausieren, aber vorher bis Juni eigene Produktionen zeigen. So gut die Hervorbringungen der Festwochen auch sein mögen - im Moment zerreißt uns ihre Präsenz ein bisschen unsere Saison.

Standard: Das Verhältnis zu Staatsoperndirektor Dominique Meyer?

Geyer: Wir verstehen uns sehr gut, und ich bin froh darüber. In dem einen oder anderen Fall hätte es mir zwar sogar Vorteile gebracht, von Vorgänger Ioan Holender attackiert worden zu sein. Aber für die Atmosphäre ist das jetzt viel besser. Es ist ein kollegiales Verhältnis - aber natürlich auch ein künstlerischer Wettbewerb.

Standard: Wird das mit Direktor Meyer und Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst gutgehen?

Geyer: Ich weiß es nicht. Dass die Kulturministerin jetzt schon die Verlängerung der Verträge ankündigt, hat mich überrascht. Die Frage ist, wie sich die Dinge in dem Spannungsfeld, das in einer Zusammenarbeit immer entsteht, entwickeln. Die beiden machen die fünf Jahre sicher, aber für den Aufbau eines Konzeptes braucht es eigentlich zehn Jahre. (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Printausgabe, 27. 4. 2011)