Claudine Kraft baut eine Gruppe an der Uni Wien auf.

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Bis ein Medikament in die Apotheke kommt, muss es oft einen weiten Weg zurücklegen. Und damit ist nicht die Transportstrecke gemeint, sondern der Weg der Erkenntnis. Was möglicherweise irgendwann als Mittel gegen Alzheimer eingesetzt werden kann, befindet sich momentan im Stadium der Grundlagenforschung und damit mitten im dynamischen Kreislauf des Lebens aus Entstehung und Vergehen - oder unpoetischer gesagt: in Abbauprozessen in der Zelle.

"Autophagie" heißt einer der Prozesse, in dem eine Zelle abbaut, "was für sie toxisch oder schädlich ist, oder wenn etwas kaputt ist, und die Zelle etwas loswerden muss", wie Claudine Kraft erklärt. "In der Hefe funktioniert das ganz ähnlich wie in der menschlichen Zelle. Wenn wir den Vorgang verstehen, dann kann man Medikamente entwickeln, die gegen Parkinson oder Alzheimer helfen."

Die 32-jährige Molekularbiologin hat sich schon in ihrer Dissertation mit einem anderen Abbauprozess in der menschlichen Zelle am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Wien (Max F. Perutz Laboratories, MFPL) beschäftigt. Zuvor studierte sie in Basel und Manchester und wechselte nach dem Doktor an die ETH Zürich.

Dort ist sie von menschlichen Zellen auf Hefe umgestiegen, da sich dieser Organismus genetisch leichter manipulieren lässt. Ab Herbst wird sie wieder nach Wien zurückkehren und an den MFPL eine eigene Gruppe aufbauen. Ermöglicht wird ihr das durch das Nachwuchsprogramm "Vienna Research Groups for Young Investigators" des Wiener Wissenschaftsfonds WWTF mit Fokus auf Life-Sciences.

Das Gesamtbudget von 4,5 Millionen Euro für insgesamt drei Forschergruppen kam aus dem Budget von Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner. Derzeit läuft ein weiterer Call für den Schwerpunkt IT.
Die Autophagie ist zwar schon länger bekannt, intensiv erforscht wird sie allerdings erst seit zehn Jahren, "als jemand eine Maus hergestellt hat, der diese Fähigkeit fehlte und die eine Gendegeneration bekam", erzählt Kraft. An dem Prozess der Autophagie fasziniert sie, dass man seine Grundmechanismen noch nicht kennt, und "dass die Verbindung zur Medizin sehr nahe liegt - das ist wichtig, vor allem bei der Alterung unserer Bevölkerung".

Es gibt noch andere Gruppen, die auf dem Gebiet arbeiten, Konkurrenzdenken hält sich aber eher in Grenzen. Kraft pflegt einen "sehr guten Austausch" mit Gruppen in den Niederlanden und den USA, und dass seit kurzem auch eine junge Gruppe in Wien zu diesem Prozess forscht, hat die Stadt für sie "zusätzlich attraktiv" gemacht.

In Zukunft plant sie, ihre Forschungen zur Autophagie im Hefemodell in menschlichen Zellen zu erproben. Gibt es dabei Probleme mit der Ethikkommission? "Nein, das ist ganz unkompliziert, das ist Zellkultur, da ist überhaupt nichts Gefährliches dran", sagt Kraft.

Wenn die gebürtige Baslerin ihre Zeit nicht im Labor verbringt, dann vor allem mit ihren beiden Kindern: Ihr Sohn ist drei Jahre alt, und ihre Tochter ist vor vier Monaten auf die Welt gekommen. Ins Labor mitgenommen hat sie ihren Nachwuchs noch nicht. "In zwei Jahren finden sie das sicher lustig, was da anzuschauen ist, aber im Moment ist es noch zu gefährlich." (Tanja Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 27.4. 2011)