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Philippe Gilbert hielt die Schlecks in Schach und erfüllte sich einen Traum aus Kindertagen.

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Lüttich - Der dominante Rad-Profi der Fühjahrssaison heißt ohne Zweifel Philippe Gilbert. Mit dem Amstel Gold Race, der Fleche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich gewann der Belgier drei Klassiker in acht Tagen. Das G'riss um ihn, nahm in seiner radsportverrückten Heimat zuletzt schon Außmaße wie weiland in der Ära von Eddy Merckx an.

Doch der Erfolgshunger des 28-Jährigen  ist damit noch lange nicht gestillt. "Ich habe zwar schon ein paar Rennen hinter mir, aber es gibt noch viel, das ich noch nicht gewonnen habe", sagte Gilbert in einem Interview mit der belgischen Zeitung "Het Nieuwsblad". Obwohl er mit dem Erfolg in Lüttich, oder genauer in Ans, wo das Rennen traditionsgemß auf der Rue Jean Jaurès endet, einen Kindheitstraum wahrgemacht hat, werde er im nächsten Jahr nichtsdestotrotz an Start gehen, als wäre nichts gewesen.

Gilbert, ganz in der Nähe in der Kleinstadt Aiwêye geboren, hatte sich schon als Teenager auf den klassischen Streckenabschnitten von Lüttich-Bastogne-Lüttich umgetan. Etwa auf der Côte de la Redoute, der neunten von insgesamt zwölf Anstiegen, wo schon so manche Vorentscheidung fiel. "Das sind außergewöhnliche Ostern", gab der Mann von Omega Pharma-Lotto bereitwillig zu. "Wenn du das Rennen deiner Träume gewinnst, dann passt nur ein Wort: fantastisch. Das bleibt auf jeden Fall der schönste Moment meiner Karriere."

Während des Rennens gab es aber durchaus einige kritische Momente, an denen der Erfolg am seidenen Faden hing. Etwa beim Angriff des Italieners Enrico Gasparotto 85 Kilometer vor dem Ziel, als keiner aus der Lotto-Equipe mit von der Partie war. "Das darf nicht passieren. Ein großer Fehler der Mannschaft. Als die Konkurrenten sahen, dass ich isoliert war, wurde ich immer wieder attackiert. Zum Glück war ich stark, das kann man von der Mannschaft nicht sagen", ging Gilbert mit seinen Kollegen hart ins Gericht.

Der Belgier, der bereits in Nachwuchsrennen seine Klasse gezeigt hatte, profilierte sich bei den Profis aufgrund seiner angriffslustigen Fahrweise recht schnell und entwickelte sich zum Spezialisten für Eintagesrennen. In den letzten Jahren stellten sich regelmäßig Erfolge ein. Je sieben Siege fuhr Gilbert in den Saisonen 2009 und 2010 ein - eine Marke, die er mit seinem außergewöhnlichen Frühjahr heuer bereits eingestellt hat. 

Zum Siegen gehört eben auch Glück. Da Leopard-Trek ebenfalls nicht in der Spitzengruppe vertreten war, konnte sich eine Zusammenarbeit zwischen Gilbert und dem Team der Gebrüder Schleck entwickeln. Der Angriff der Luxemburger am Fuß der Roche-aux-Faucons, der drittletzten Steigung, kam für ihn überraschend früh, 21 Kilometer waren zu diesem Zeitpunkt noch zu absolvieren. "Ich habe mich umgedreht und gesehen, dass jeder nach Luft schnappte." In diesem Moment war Gilbert klar, dass der entscheidende Moment gekommen war. Man habe danach gut zusammen gearbeitet. Am Ende "bin ich ein perfektes Rennen gefahren."

Gilbert attackierte die Schlecks auf einer leichten Bergab-Passage auf der Rue-Saint-Nicolas. Der Wallone, der jeden Meter des Parcours wie seine Westentasche kennt, wusste: Auf den folgenden drei schwierigen Kilometern kann auch ein kleiner Vorsprung Gold wert sein. Ein ausgezeichneter Zeitpunkt also für einen Angriff. "Durch meinen Vorstoß konnte ich Andy Schleck rechtzeitig ausschalten. Danach kam noch das letzte breite Stück Straße. Dort gab es Gegenwind. Meine Überlegung war: Wenn Andy zurückkommt, ist er verpflichtet für Fränk zu arbeiten. Ich glaube, ich habe das Spiel gut gespielt."

Das will Gilbert auch weiterhin so halten. Sattheit ist ihm, wie ja schon gesagt, fremd. Sein Blick richtet sich auf das Regenbogentrikot: "Ich habe das Glück, dass mir 2012 und 2013 die Weltmeisterschafts-Strecken wie auf den Leib geschneidert sind." Und dann wäre da noch das Gelb der Tour de France. "Das will ich heuer tragen." Der Mann hat noch nicht ausgeträumt. (Michael Robausch)