London - Es sind detaillierte Schilderungen, die die bisher geheimen Guantanamo-Dokumente der US-Regierung, die mehreren Zeitungen, darunter die New York Times, Washington Post oder Der Spiegel, vorliegen und nun von WikiLeaks veröffentlicht werden. Darin enthalten sind auch Berichte über hochrangige Al Kaida-Funktionäre wie Kalid Scheikh Mohammed oder Ramzi Binalshibh, die jahrelang von der CIA in Geheimgefängnissen verhört wurden, ehe sie 2006 nach Guantanamo verlegt wurden.

So hat der mutmaßliche Chefplaner der Terroranschläge vom 11. September 2001 nach Angaben der Enthüllungsplattform Wikileaks für den Fall einer Gefangennahme von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden gar mit der Zündung einer Atombombe gedroht. Die in Europa versteckte Atombombe werde "einen atomaren Höllensturm" verursachen, drohte Khalid Sheikh Mohammed, die Nummer drei des Terrornetzwerkes Al-Kaida, laut Wikileaks vorliegenden Geheimunterlagen des US-Verteidigungsministeriums, aus denen am Montag die britische Zeitung "Daily Telegraph" zitierte. Sheikh Mohammed ist seit 2006 im US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert. Ihm soll der Prozess vor einem Militärtribunal gemacht werden.

Der Chefplaner soll einige ähnliche Pläne vorangetrieben haben, etwa auch einen Anschlag auf den britischen Flughafen Heathrow. Ein Dreivierteljahr nach den Anschlägen, Anfang Juni 2002, soll er in das Heathrow-Szenario eingeweiht haben, das schon weit gediehen schien, schreibt Der Spiegel. Die Idee sei, erläuterte der Scheich, ein in Heathrow startendes Flugzeug zu entführen, es zu wenden und in den Airport stürzen zu lassen.

"Großes gegen die USA"

Ein inzwischen in Guantanamo einsitzender Terrorverdächtiger, Saifullah Paratscha, soll angeboten haben, dabei zu helfen, Plastiksprengstoff in die USA zu schmuggeln. Der Sprengstoff sollte demnach in Kleidercontainern versteckt werden. Ein weiteres in Guantanamo inhaftiertes mutmaßliches Al-Kaida-Mitglied sagte den Ermittlern laut New York Times, Paratscha habe Al-Kaida helfen wollen, etwas "Großes gegen die USA" zu unternehmen.

Paratscha soll auch überlegt haben, biologische oder nukleare Waffen zu besorgen. Er habe aber befürchtet, die Hafenbehörden könnten Nuklearwaffen mit Detektoren aufspüren, zitiert die New York Times aus einem US-Dokument. Paratscha soll sich nach eigenen Angaben mit dem als "Vater der pakistanischen Atombombe" bekannten Nuklearforscher Abdul Qadeer Khan getroffen und Aufzeichnungen zu den Auswirkungen von Chemiewaffen auf Menschen bei sich geführt haben.

Der 63 Jahre alte Paratscha ist einer von insgesamt noch 172 Guantanamo-Häftlingen. Sein Anwalt David Remes sagte der NYT, die Annahme, Paratscha habe jemals eine Gefahr für die USA dargestellt oder tue dies noch heute, sei "grotesk". Sein Mandant habe Herzprobleme und eine schwere Diabetes und habe sich den US-Behörden gegenüber stets kooperativ gezeigt.

Die "Washington Post" berichtete unter Berufung auf die Wikileaks-Dokumente, Bin Laden habe nach den Anschlägen vom 11. September mit seiner Gefangennahme oder Tötung bei der US-Offensive in Afghanistan gerechnet. Nach den Attentaten sei der Terrorchef drei Monate lang in Afghanistan geblieben, um die dortigen Islamisten auf den Kampf gegen die US-Armee vorzubereiten. Bei einem Treffen mit den radikalislamischen Taliban habe Bin Laden schließlich die Leitung von Al-Kaida an die Shura, das oberste Gremium der Taliban, übertragen, hieß es in dem Bericht. Diese Entscheidung habe er wahrscheinlich getroffen, "weil er fürchtete, gefangengenommen oder getötet zu werden, da die Amerikaner näherrückten".

Eine US-geführte Koalition hatte am 7. Oktober 2001 eine Offensive gegen Al-Kaida in Afghanistan gestartet. Bin Laden floh Mitte November in einen Höhlenkomplex nahe Tora Bora, bevor er Mitte Dezember nach Pakistan floh. Damals habe Bin Laden so wenig Geld gehabt, dass er sich von einem seiner Beschützer 7.000 Dollar (4.800 Euro) leihen musste, schrieb die "Washington Post". Das Geld habe er nach weniger als einem Jahr zurückgezahlt. Anfang Dezember 2001 versammelten sich dem Bericht zufolge andere Al-Kaida-Anführer in den afghanischen Bergen, um über mögliche Anschläge auf US- und israelische Ziele in Marokko sowie gegen die britische Armee in Gibraltar zu beraten.

Al-Kaida-Bomber war beim britischen Geheimdienst

Ein Al-Kaida-Terrorist hat nach Informationen des "Guardian" für den britischen Geheimdienst MI6 gearbeitet.  Der Mann soll 2002 in Pakistan ein Luxushotel und zwei christliche Kirchen in die Luft gesprengt haben und wurde von 2003 bis zum vergangenen Jahr auf Kuba festgehalten. Dann wurde er den Angaben zufolge in sein Heimatland Algerien zurückgeschickt. Es sei unklar, ob er dort in Haft sitze oder inzwischen wieder auf freiem Fuß sei. (red/APA/AFP, derStandard.at, 26.4.2011)